Verhaltensregeln für Konzerne in einer islamischen Diktatur

In Saudiarabien werden Frauen unterdrückt, christliche Kirchen sind verboten. Trotzdem machen westliche Firmen gute Geschäfte.

Das Königreich Saudiarabien ist ein autoritär geführtes Land. Es gilt das islamische Recht, die Scharia, in einer besonders strengen Auslegung. Politische Parteien und Gewerkschaften sind verboten. Ministerposten werden meist an Mitglieder der Herrscherfamilie vergeben. Angaben des österreichischen Außenministeriums zufolge besteht für Reisende ein „hohes Sicherheitsrisiko“. Allerdings findet man in dem Land ohnehin kaum westliche Touristen. Das Außenministerium weist darauf hin, dass eine Zollpflicht für Fotoapparate besteht. In den mitgeführten Kameras dürfen sich keine Filme oder Speicherkarten befinden.

Zudem herrscht in Saudiarabien ein striktes Alkoholverbot. Im Fastenmonat Ramadan darf tagsüber auf öffentlichen Plätzen, zu denen auch Firmengelände zählen, die ohne Eintrittskontrollen betreten werden können, weder gegessen noch getrunken noch geraucht werden. „Für den Fall von Übertretungen werden strenge Maßnahmen angedroht, einschließlich der Annullierung des Arbeitsvertrags, Einziehung der Aufenthaltsberechtigung und Ausweisung“, heißt es auf der Homepage des österreichischen Außenministeriums. Das Tragen von christlichen Symbolen in der Öffentlichkeit ist verboten.

In keinem anderen Land haben Frauen so wenig Rechte wie in Saudiarabien. Sie müssen in der Öffentlichkeit einen bodenlangen schwarzen Umhang und ein Kopftuch tragen. Sie dürfen nur gemeinsam mit ihrem Vater, Ehemann oder Bruder reisen. Wenn sie sich allein in der Öffentlichkeit aufhalten, brauchen sie eine schriftliche Zustimmung der männlichen Angehörigen.

Im Jahr 2010 versuchte eine Supermarktkette, Frauen als Kassiererinnen anzustellen. Die Frauen waren voll verschleiert, sie arbeiteten hinter Trennwänden und durften nur weibliche Kundinnen beziehungsweise Familien bedienen. Trotzdem musste das Experiment auf Druck der Behörden abgebrochen werden. Die offizielle Arbeitslosenquote von 15 Prozent ist irreführend. Denn viele Saudis sind nicht als arbeitslos registriert, sondern werden von der Großfamilie finanziell unterstützt. Die Jugendarbeitslosigkeit soll bei 30 Prozent liegen. In einem Bericht der österreichischen Wirtschaftskammer heißt es, dass Saudis eher ungern andere Saudis einstellen, „da diese oft nicht sehr zuverlässig“ seien.

So erscheinen Saudis beispielsweise nicht zum Dienst, weil in der Großfamilie eine Tante im Spital besucht werden muss, eine Cousine heiratet oder der Fahrer der Großmutter ausgefallen ist, schreibt die Wirtschaftskammer. „Im Privatsektor werden daher lediglich zehn Prozent der Arbeitsplätze von Saudis abgedeckt, 90 Prozent von Ausländern.“


Saudisierungsquote. Damit mehr Inländer zum Zug kommen, schreibt die Regierung den Unternehmen eine „Saudisierungsquote“ vor. Für jede Branche gibt es genaue Vorgaben. Doch der Erfolg blieb teilweise aus.

Daher verschärften die Behörden zuletzt die Gangart. Im Vorjahr gab es Razzien gegen illegal beschäftigte Gastarbeiter. Diese wehrten sich. Bei Ausschreitungen gab es Tote. Die Fremdarbeiter stammen meist aus Ägypten, Pakistan und Indien. Sie verrichten schlecht bezahlte Tätigkeiten. Durch das Programm der Saudisierung entstehen schon jetzt „umfangreiche Mitarbeiterengpässe, vor allem im Einzelhandel und bei Dienstleistungen“, sagt Pierre Prunis, österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Riad.

Ein weiteres Problem ist die Ausbildung. Zwar gibt es in Saudiarabien über 20 Universitäten, doch die meisten konzentrieren sich auf islamische Studienrichtungen. Viele reiche Saudis lassen ihre Kinder in den USA und in Großbritannien studieren. Bei erwachsenen Frauen liegt die Analphabetenquote bei 29 Prozent.

Wer nach Saudiarabien reist, muss laut Auskunft der Wirtschaftskammer folgende Regeln beachten:
•Personen jüdischen Glaubens wird die Einreise verweigert. Dies gilt auch für Inhaber von Reisepässen mit einem israelischen Visum oder israelischem Einreisestempel.
•Es gibt ein Fahrverbot für Frauen. Wer ein Auto braucht, sollte unbedingt ein Taxi oder einen Mietwagen mit Chauffeur benutzen, da bei allfälligen Unfällen mit Personenschaden mit der Verhaftung beider Unfallparteien gerechnet werden muss, bis eine Einigung erzielt wird.
•Die Einfuhr von Magazinen und Zeitschriften mit freizügigen Abbildungen ist verboten. Bei der Einreise wird auch das Handgepäck geröntgt.
•Reisen während des Fastenmonats Ramadan bringen wenig, da die Aktivitäten der Behörden, vieler Geschäfte und Banken fast zum Stillstand kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.