Bulgarien: Comeback mit Schönheitsfehler

Borisov, leader of centre-right GERB party, participates in an interview with Reuters in Sofia
Borisov, leader of centre-right GERB party, participates in an interview with Reuters in Sofia(c) REUTERS (STOYAN NENOV)
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Ex-Premier Borissow gewann die Wahl, hat aber keine bürgerliche Mehrheit. Auch die fünfte Regierung in zwei Jahren wird dem Land keinen Aufbruch bescheren.

Belgrad/Sofia. Erleichterte Wahlsieger sehen anders aus. Tiefe Falten zerfurchten die Stirn von Ex-Premier Bojko Borissow, als der bullige Chef der rechten Gerb-Partei in der Wahlnacht seine Ansprüche auf die Führung von Bulgariens fünfter Regierung innerhalb von zwei Jahren bekräftigte. Er fürchte, dass es erneut zu Neuwahlen kommen könne, erklärte der ehemalige Leibwächter.

Die letzte Regierungsmission des 55-Jährigen endete in blutigen Straßenschlachten und einer Welle von Selbstverbrennungen. Die Revolte gegen saftige Stromrechnungen zwang den früheren Feuerwehrmann im Februar 2013 zum vorzeitigen Abschied von der Regierungsbank. Nicht besser erging es seinen sozialistischen Nachfolgern, die wegen der monatelangen Protestwelle gegen die versuchte Ernennung des berüchtigten Medienmoguls Deljan Peewski zum Geheimdienstchef früh allen Kredit verspielten. Auch beim zweiten Regierungsanlauf von Borissow gelten die Erfolgsaussichten als eher gering. Ein Ende der Dauerkrise ist nicht in Sicht.

Die Mafia hält sich einen Staat

Bereits in der Wahlnacht verabschiedete sich Borissow vom Versprechen, ein Bündnis mit dem bürgerlichen Reformblock anzustreben: „Der ist zu klein und will mich nicht.“ Die zaghafte Hoffnung auf einen Bruch mit Bulgariens schlechtem Regierungsbrauch der engen Verquickung mit den mächtigen Tycoons des Landes scheint damit frühzeitig begraben. Ob am Ende des Koalitionsgerangels ein Bündnis von Gerb mit kleineren nationalistischen Parteien oder eine Minderheitsregierung steht: Politfilz, Oligarchenmacht und Korruption dürften den verarmten Balkanstaat weiter im Griff haben.

Als vor einem Vierteljahrhundert wütende Massen in ganz Mittel- und Osteuropa Mauern, Zäune und sozialistische Machthaber stürzten, herrschte in Bulgarien zunächst Friedhofsruhe. Nur starker innerparteilicher Druck zwang den langjährigen KP-Chef Todor Schiwkow im November 1989 zum Rücktritt – einen Tag nach dem Fall der Berliner Mauer. Hinter neuen Parteigründungen standen nicht selten Geheimdienstkader, die sich wie frühere Betriebsdirektoren rasch ihren Anteil am Privatisierungskuchen sicherten.

Nach der Wende wurde so die Basis für die Verfilzung von Politik und Geschäft gelegt. Ob rechte oder linke Regierungen – das bewährte Geschäftsmodell in Bulgariens Politik ist simpel: Staatsaufträge und Justizschutz für die Tycoons gegen positive Berichterstattung – und satte Zulagen für das eher karge Salär der Politiker. Jeder Staat habe eine Mafia, „nur in Bulgarien hat die Mafia einen Staat“, ätzt das Newsportal „Club Z“. An der Spitze des Landes stünden gierige und korrupte Politiker, „die nur dazu da sind, zu klauen“, klagt der Regisseur Magardich Halvadjian: „Und auf den unteren Ebenen herrschen unfassbare Unfähigkeit und Inkompetenz. Es ist dunkel im Tunnel.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2014)

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