„Ich sehe keine Gefahr für Djokovic“

TENNIS - PG OeTV MIT NICK BOLLETTIERI
TENNIS - PG OeTV MIT NICK BOLLETTIERI(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Nick Bollettieri, 83-jährige Trainerlegende, sprach bei seinem Wien-Besuch über die Vormachtstellung von Novak Djokovic, Österreichs Hoffnung Dominic Thiem und die US-Krise.

Wien. Von Floridas Sonne braun gebrannt und bestens gelaunt, trat Nick Bollettieri Freitagvormittag im Wiener Hotel Steigenberger vor die wartende Journalistenrunde. „Ihr seid also meine neuen Schüler“, sagte der rüstige 83-Jährige leicht schmunzelnd und kramte anschließend in Erinnerungen. Bollettieri weiß, wovon er spricht. Der US-Amerikaner gilt als der erfolgreichste Tennistrainer aller Zeiten, in seiner 1981 eröffneten Tennisschule in Bradenton, Florida, trainierte er nicht weniger als zwölf Spielerinnen und Spieler zu Weltranglistenersten. Der langen Liste seiner ehemaligen Schützlinge gehören unter anderem Andre Agassi, Jim Courier, Boris Becker, Monica Seles, Maria Scharapowa oder Anna Kurnikowa an.
Bollettieri selbst bezeichnet sich nicht als den besten, „sondern verrücktesten Trainer“. Denn als der New Yorker seine Akademie aus dem Boden stampfte, „glaubte mir keiner, dass sie wirklich funktionieren kann“. Der Erfolg gab ihm letztlich recht. Bollettieri sah viele Talente zu Superstars aufsteigen, als den talentiertesten seiner Spieler bezeichnet er nicht etwa Agassi oder Becker, sondern Marcelo Ríos. Der Chilene führte 1998 für sechs Wochen die Weltrangliste an.

Der Tennissport, so Bollettieri, habe sich in der jüngeren Vergangenheit rasant entwickelt. Technische, physische und mentale Komponenten spielen heute eine noch viel größere Rolle als etwa in den 1990er-Jahren. Auch das persönliche Umfeld eines jeden Athleten hat an Bedeutung gewonnen. „Jeder hat unterschiedliche Bedürfnisse, niemand ist gleich. Nicht einmal Zwillinge“, betont die Trainerlegende. Bollettieri versteht es, Worte richtig zu wählen und so die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer zu gewinnen. „Never stop learning“, predigte er seinen Spielern stets. „Du bist nie so gut, um nicht jeden Tag etwas dazulernen zu können.“

Ein Ratschlag an Thiem

Obwohl die Zeiten, in denen er 36 Wochen im Jahr unterwegs war, vorbei sind, verfolgt er das aktuelle Tennisgeschehen immer noch im Detail. Novak Djokovic etwa, die aktuelle Nummer eins, hat auch bei Bollettieri bleibenden Eindruck hinterlassen. „Ich sehe niemanden, der ihn in naher Zukunft gefährden kann“, bemerkt er und ist zugleich neugierig, wie sich das junge Top-Ten-Trio, bestehend aus Kei Nishikori, Milos Raonic und Grigor Dimitrow, künftig entwickelt. Freilich ist dem Szenekenner auch der Aufstieg von Dominic Thiem nicht entgangen.
Erst vor wenigen Tagen wurde Bollettieri von Tommy Haas, in Florida für sein Comeback schuftend, auf den 21-Jährigen angesprochen. Der Deutsche schwärmte von Thiem. Bollettieri aber gibt zu bedenken: „Dominic muss verstehen, dass er es noch nicht nach ganz oben geschafft hat. Er muss weiter hart an sich arbeiten.“

Der Grund für die US-Krise

Hart an sich arbeiten müssen auch die US-amerikanischen Spieler. Die einst so stolze Tennisnation lechzt nach einem Superstar, nur zeichnet sich ein solcher nicht ab. Bollettieri sieht das größte Problem am schwindenden Interesse der Jugend an der gelben Filzkugel. „Tennis“, sagt Bollettieri, „ist für viele zu teuer, und es gibt in Relation zu anderen Sportarten viel weniger zu verdienen. Deshalb gehen die Kinder in den USA heute viel lieber zum Football, Basketball oder Baseball.“

AUF EINEN BLICK

Nick Bollettieri trainierte in seiner 1981 eröffneten Tennis-Academy zwölf Spielerinnen und Spieler, die allesamt zur Nummer eins der Welt aufstiegen, darunter Andre Agassi, Boris Becker oder Monica Seles. Im Leistungszentrum Südstadt wird Bollettieri heute ab elf Uhr die ÖTV-Trainerfortbildung mitgestalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2014)

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