Pop

Orishas: Rappen mit Fidel

(c) EMI
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Die kubanische Hiphop-Gruppe Orishas kommt zum Nuke-Festival. Vorher haben die drei im Interview noch erzählt, was sie vom Buena Vista Social Club halten und wie sie zu Fidel Castro kamen.

Mächtig war der Aderlass, den die kubanische Musik in den letzten Jahren hinnehmen musste. Die charismatischsten Künstler des von US-Gitarrist Ry Cooder zusammengestellten Buena-Vista-Social-Club-Projekts sind verblichen. Der sentimentale Gesangsstilist Ibrahim Ferrer, der noble Pianist Ruben Gonzalez und schließlich der ewige Frauenverehrer Compay Segundo: Sie alle sind nicht mehr. Die schwächelnde Musikindustrie fragte sich lange schon, wie man den Kuba-Trend einträglich fortsetzen könnte. Die gehaltvollste Antwort fand sich bereits, als das neue Millennium heraufdämmerte. Die Orishas, vier in vollem Saft stehende Exilkubaner, hatten die Idee, kubanische Old-School-Melodien mit rüden, aber sozialkritischen Raps zu verbinden. Dieser Tage edieren die auf ein Trio geschrumpften Orishas ihr viertes Album „Cosita Buena".

Weg mit Patina.

In einem Besprechungszimmer der Wiener EMI schmetterten Roldan Gonzalez, Hiram Riveri und Yotuel Romero dem Gesandten der „Presse" die Ohren voll. In der Gewissheit, dass ihr abenteuerlich fragmentarisches Spanglish (Spanish English) nicht sämtliche Subtilitäten anzudeuten vermochte, sangen sie immer wieder drauflos. Roldan Gonzalez entpuppt sich schnell als der Sprecher der in Rom, Paris und Madrid lebenden Musiker. Selbstbewusst proklamiert er den Impetus ihrer infektiösen Grooves: „Wir haben uns irrsinnig für die alten Boys gefreut. Die Orishas allerdings wollten immer raus aus dem kubanischen Eck. Wir lieben die alte Stile, aber uns geht es darum, deren Patina abzukratzen. Das Hier und Heute interessiert uns. Wir wollen als normale Popmusiker wahrgenommen werden, nicht als Weltmusik-Acts." Yotuel Romero sekundierte: „Als Exilanten sind wir früh mit Pop in Berührung gekommen. Hiphop war unser kleinster gemeinsamer Nenner, weil wir sozialkritische und politische Botschaften transportieren wollen."

Zunächst taten sie das eher verdeckt, erst seit wenigen Jahren nehmen sie sich kein Blatt mehr vor den Mund. Das kommt in Europa besonders gut an. Schon ihr erstes Album „A Lo Cubano" erreichte Platin- bzw. Goldstatus in Spanien, Frankreich und der Schweiz. Welttourneen mit Kollegen wie Manu Chao, Iggy Pop und Cypress Hill machten aus dem Geheimtipp rasch ein massentaugliches Phänomen. Der große Durchbruch am CD-Markt glückte mit der Liederkollektion „Emigrante", die 2002 einschlug und einen Latin-Grammy im Bereich Hiphop einbrachte.

Gute Mischung.

Woher kommt nun dieser Reichtum an Emotion und Rhythmus in der kubanischen Musik, der selbst den Jazz noch bereichert? Des Rätsels Lösung liegt wohl in der nur mit Brasilien zu vergleichenden Mischung der Population. Schwarze, die im 16. Jahrhundert zum Zweck ihrer Versklavung aus Afrika entführt wurden, indianische Urbevölkerung und die Nachfahren der blassen Spanier vermischten sich zu ihrem Vorteil. Die treibenden Rhythmen brachten die Afrikaner, übrigens fast alle vom Stamm der Yoruba aus Nigeria, mit. Nachdem ihnen ihre Peiniger die Götter ihrer Religion verboten hatten und sie mit einer Evangelisierung drangsalierten, kam es zu einer kuriosen Lösung. Sie beteten ihre angestammten Gottheiten, die Orishas, in Gestalt der katholischen Heiligen an. Die Musik zu diesen Gottesdiensten wurde auf drei geweihten Bata-Trommeln gespielt. Jahrhunderte später sollten daraus so säkulare musikalische Stile wie Rumba, Son und Mambo entstehen.

Goldene Zeit.

Die Orishas als trendiges Kuba-Hiphop-Klangkombinat pflegen gute Kontakte zur Zuckerinsel. Auf der neuen CD darf gar der Máximo Lider in „Una Pagina" Revolutionäres brabbeln. Schon vor einigen Jahren wollte Castro wissen, wie die Jungs sind, die da aus den Autoradios seiner Chauffeure knattern und lud die Orishas zur Audienz. Damals edierten sie ihr Album „El Kilo". Gonzalez schwärmerisch: „Damit waren wir zurück im Goldenen Zeitalter Havannas, jener Glamour-Ära der 30er- und 40er-Jahre, als man weiße Anzüge trug und amerikanische Limousinen fuhr." Dieser Tage geben sich die drei aber sportlich. Weiche Sneakers und Hiphop-Leisurewear zieren ihre muskulösen Körper. Kraftvoll tönen auch die neuen Lieder. Produziert hat Tim Latham, der schon mit den Fun Lovin‘ Criminals, Erykah Badu und De La Soul gearbeitet hat. „Cosita Buena" klingt internationaler als alles andere bisher. Freuen wir uns auf das göttliche Leuchtfeuer, das die Orishas demnächst in Österreich entfachen werden.

Nuke

18., 19.7., VAZ-Gelände St. Pölten.
Die Orishas spielen am 18.7.,
komplettes Line Up unter

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