OMV-Debakel kam nicht aus heiterem Himmel

Zwischen hausgemachten Fehlern und aufgerieben im Wettbewerb steht die OMV nun an der Kippe. Wie andere Ölkonzerne.

Die OMV kritisiert man nicht. Denn sie schaltet teure Inserate, tritt als Sponsor auf und ist eine heilige Kuh der Politik. Und wenn man es doch tut, dann erntet man böse Blicke und noch einiges mehr. Doch im österreichischen Mineralölkonzern lief schon lange vieles nicht mehr rund. Bloß, solange die Preise für fossile Energieträger hoch waren und die Kasse stimmte, wurde so manches Management-Debakel nicht schlagend. Dies gilt auch für die Ära vor Gerhard Roiss.
Denn ob man sich von seltsamen Geschäftspartnern im Nordirak blenden ließ, in die Falle tappte, sehr viel Geld im mesopotamischen Sand versenkte oder den russischen Energieriesen Gazprom verprellte, indem man alles auf Nabucco setzte, um sich schließlich doch wieder ab Mai mit der Pipeline South Stream ins russische Bett zu legen – die Liste der Fehler ist lang. Dabei erfordert die Arbeit in einem Konzern, der international agiert – und genau das ist das Explorationsgeschäft, in das die OMV immer weiter vorstieß –, viel Gespür für die Konstanten der Geopolitik. Die Hasenhaken, die OMV-Verantwortliche in den vergangenen Jahren schlugen, und damit als Getriebene dem Treiben auf den Weltmärkten hinterherhechelten, zeugen von Kurzsichtigkeit.

Bei den Großen mitspielen

Wurde Erdgas noch vor drei Jahren als Schlüsselenergie hochgelobt, wollte man mit dem einsetzenden Preisverfall das Gasgeschäft umbauen. Doch der Energiesektor erfordert Langfristigkeit. Da wird in Jahrzehnten kalkuliert – und nicht in Quartalsberichten.
Zwar machte höhere Gewalt Projekten in Libyen oder im Schwarzen Meer einen Strich durch die Rechnung. Doch andererseits strebte die OMV Geschäfte in Zentralasien an, deren Sinnhaftigkeit von Anbeginn große Zweifel wecken mussten. Dann in die Nordsee zu ziehen und „Second Hand“-Felder zu erwerben, wurde als strategische Wende gesehen. Raus aus dem gefährlichen Orient, rein in das friedliche Skandinavien.
Diesen neuen Bereich personell aufzubauen ist eine Herausforderung. Topleute in der Exploration sind rar, und die OMV hat über die Jahre ihren einstmaligen Ruf eingebüßt. Die guten Ingenieure und Facharbeiter für die Ölplattformen heuern andernorts an. Dies gilt auch für das höhere Management.
Auch bei der französischen Total oder der italienischen Eni ist nicht alles eitel Wonne. Im Gegenteil: Fehlinvestitionen sind an der Tagesordnung. Doch die Chefs, Christophe de Margerie und bis vor Kurzem Paolo Scaroni bei Eni, sind alte Haudegen. Ihnen zuzuhören ist stets von Gewinn.
Dank der Diskretion, die alten Ölbaronen eigen war, verfügen diese über perfekten Zugang, wo auch immer auf der Welt. Für die OMV errichtete Bundeskanzler Bruno Kreisky einst diplomatische Repräsentanzen von Libyen bis in den Golf. In Baku eröffnete man mit Pomp vor wenigen Jahren eine Botschaft. Auch das tat man aus Zuneigung zur OMV für das ewige Projekt Nabucco. Nun muss das Außenamt sparen und fragt sich, was man in Aserbaidschan eigentlich verloren habe.
Die OMV avancierte trotz der diplomatischen Liebesmüh, der Seminare und Trainer nicht zu den Großen à la norwegischer Statoil. Im Vergleich mit Mitarbeitern anderer börsenotierter Energiekonzerne spürte man in der OMV immer wieder den Stallgeruch der Provinz – im schlechtesten Sinne dieses Wortes.

Kein Parfum der weiten Welt

Als man vor Jahren beschloss, das Tankstellengeschäft zu reduzieren – und mit vielen treuen Pächtern gingen die Manager nicht sehr korrekt um –, wollte man in die große Liga des Upstreams, also der eigentlichen Ölförderung, vorstoßen. Ein böses Sprichwort sagt: „Man kann zwar den Bauern aus dem Dorf jagen, nicht aber das Dorf aus dem Bauern.“ Und das Parfum der großen weiten Welt wollte nicht so wirklich in die Etagen der OMV einziehen, auch wenn man österreichisches Englisch zur Konzernsprache machte.
Aktionäre, wie jene aus den Emiraten, kritisieren schon lange die schlechten Ergebnisse. Das Nabucco-Abenteuer, das man im Juni 2013 beendete, auch wenn die rechtliche Abwicklung noch aussteht, drückt schwer auf die Bilanzen.

Ölpreis auf rasanter Talfahrt

Konnte man einst ausländische Investoren mit einem Wien-bei Nacht-Programm bezirzen, so muss man heute professionell bestehen. Das schreckliche Wort der „performance“ taucht zwar oft in Reden auf, bloß war so manche Investition falsch bewertet.
Mit dem Dilemma steht die OMV nicht allein da. „Energy Intelligence“ zitierte im September eine Studie, die besagte, dass viele Projekte – ob nun Offshore-Förderung, Fracking etc. – gegenwärtig nur bei einem Ölpreis von rund 150 US-Dollar rentabel sind. Doch der Ölpreis ist in rasantem Verfall, in den vergangenen Jahren bewegte er sich relativ stabil um die 100 Dollar.

Einstige Große strampeln

Nun scheint das Kalkül, dass der Preis mit politischen Krisen steige, nicht zutreffend. Offenbar ist der Einbruch der Nachfrage so gewaltig, dass die alte Risikoprämie nicht mehr greift. Um die Weltwirtschaft ist es derzeit schlimmer bestellt, als viele wahrhaben wollen. In der Branche ist von einer überschrittenen Nachfragespitze schon lange die Rede.
Darüber hinaus ist der Niedergang der kleinen OMV im globalen Zusammenhang der Energiewirtschaft zu verstehen. Denn die sogenannten IOC, die internationalen Ölkonzerne, sind längst nicht mehr die allmächtigen „Seven Sisters“, die das Geschäft einst zur Gänze kontrolliert haben. Die NOC, also die staatlichen Energiekonzerne, verfügen heute über 90 Prozent der bekannten Reserven. Die Internationalen mussten sich auf teurere und komplexere Förderungen – so etwa in der Tiefsee – verlegen. BP erlebte 2010 mit der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko sein Desaster.
Der Konzern, der sich ökofreundlich nicht mehr British Petroleum, sondern Beyond Petroleum nennt, stand am Rande des finanziellen Kollapses. Das durfte dann auch nicht sein, zu viele Pensionsfonds hätten heftig gelitten.
Die Großen von einst strampeln. Heute rangieren unter den sogenannten neuen „Seven Sisters“ Firmen aus dem Süden und Osten.
Das weltweite Energiegeschäft ist komplex und voller Machtspiele und Intrigen. Es ist nichts für Menschen mit schwachen Nerven und wenig Instinkt. In den USA heißt es seit den 1930er-Jahren: „The oil business is too important to leave it to the oil people.“

Freunderlwirtschaft schadet

Die Politik wird den Managern in den großen Energiekonzernen also immer dreinreden. In Paris oder Washington ist dies heftiger der Fall als in Wien mit seinem Balkangeschäft. Wer immer sich nach dem sogenannten Kommunikationsdesaster nun an eine Neuordnung im Management der OMV macht, sollte eines im Auge behalten: Richtige Rekrutierung ist aller Erfolg Anfang. Und wie immer man es nennt, Networking, Freunderlwirtschaft oder Versorgung von Parteifreunden mit einflussreichen Posten, all dies ist in diesem Geschäft völlig fehl am Platz.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Die Autorin

Karin Kneissl (* 1965 in Wien) studierte Jus und Arabistik in Wien. Sie war 1991/1992 Studentin an der ENA. 1990 bis 1998 im diplomatischen Dienst, danach Lehrtätigkeit. Zahlreiche Publikationen, darunter: „Der Energiepoker: Wie Erdöl und Erdgas die Weltwirtschaft beeinflussen“ (2006). Zuletzt: „Mein Naher Osten“ (Braumüller 2014) .

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