Mitterlehner: "OMV war nicht mit uns abgestimmt"

Reinhold Mitterlehner
Reinhold Mitterlehner Die Presse
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ÖVP-Chef und Wirtschaftsminister Mitterlehner kritisiert die ÖIAG, rechnet mit einem Konjunktureinbruch und beneidet die USA.

Dank OMV und ÖIAG ist die Euphorie nach der Regierungsumbildung verflogen. Die Politik ist wieder in den Mühen der Ebene angekommen. Stimmt der Eindruck?

Reinhold Mitterlehner: Das ist uns auch gar nicht unangenehm. Denn im Endeffekt muss es uns gelingen, die gute Stimmung mit guter Arbeit zu untermauern. Und dann werden wir auch viele Stimmen bei den nächsten Wahlen haben.

Waren die Vorgänge in der OMV tatsächlich nicht mit der Politik abgesprochen?

Wir sind schon über die Probleme informiert worden, aber die Vorgangsweise war nicht mit uns abgestimmt. Ganz im Gegenteil. Ich habe eine andere Vorgangsweise empfohlen. Schon beim ersten Kontakt Anfang August habe ich den OMV-Aufsichtsratschef (Rudolf Kemler, Anm.) darauf aufmerksam gemacht, dass wir bedenken müssen, in welch schwierigem konjunkturellen Umfeld wir uns befinden. Auch habe ich betont, dass ich kein Verständnis dafür habe, dass man mit Geld für Abfindungen für laufende Vorstandsverträge großzügig umgeht. Ich habe gebeten, hier sehr, sehr zurückhaltend zu agieren.

Von Zurückhaltung war wenig zu merken.

Mich verwundert vor allem, dass man andauernd die Begründung geändert hat. Ich erinnere mich an den Artikel Mitte August in der „Presse“, in dem erstmals auf die Probleme im Gasgeschäft und einen Konflikt zwischen den Vorständen hingewiesen wurde.

Am 12. August schrieb Kollege Matthias Auer, dass Konzernchef Gerhard Roiss die Gassparte aufspalten und auf diesem Weg auch gleich den ungeliebten Gasvorstand, Hans-Peter Floren, entmachten will.

Ja, und der beschriebene Streit unter den Vorständen war dann auch die Begründung dafür, etwas zu unternehmen. Eigenartigerweise wurde später aber die Konzernstrategie in den Mittelpunkt gerückt. Bei einer Routinesitzung der ÖIAG Mitte September, bei der drei Vorstände der OMV anwesend waren – der Vorstandsvorsitzende übrigens nicht –, wurde plötzlich die Strategie kritisiert. Dabei wurde diese ein Jahr zuvor einstimmig beschlossen. Meiner Meinung nach gibt es in der ganzen OMV-Geschichte viele Widersprüche.

Fazit: Weder die Strategie noch der Führungsstil des Herrn Roiss kann der wahre Grund für den Konflikt sein. Wo liegt also der Kern des Problems?

Ich höre da eine Reihe an Gerüchten. Und über Gerüchte rede ich nicht.

Und wie geht's nun mit der ÖIAG weiter?

Da gibt es ein Verhandlungsteam, das wir bei der Regierungsklausur in Schladming nominiert haben. Dieses Team hat die Aufgabe, die ÖIAG neu zu strukturieren. Konkret hat es zuerst die Strategie, dann die Struktur und erst am Ende über Personen zu verhandeln. Das ÖVP-Team wird sicher auch in Alternativen denken und mehrere Varianten in die Diskussion einbringen.

Könnte eine Alternative sein, die ÖIAG ganz abzuschaffen?

Das halte ich momentan für eher unwahrscheinlich. Aber auch diese Variante wird man prüfen.

Eine andere Variante wäre der „Staatsschatz“, in den also alles hineinkommt, was gut und teuer ist – bis hin zu den Bundesgärten und -theatern.

Eine Österreich-Holding erachte ich theoretisch als sehr interessant, aber in der Praxis aufgrund des zu erwartenden großen Widerstands eher nicht realisierbar.

Wie kann man sich die Arbeit dieser Expertengruppe vorstellen, was geschieht derzeit, wie sieht der Zeitplan aus?

Wir werden zuerst einmal ÖVP-intern die verschiedenen Modelle bewerten und Pro und Kontra auflisten und dann werden wir einen Vorschlag einbringen.

Und dasselbe macht auch die SPÖ-Expertengruppe.

Ich nehme an, dass die SPÖ das ähnlich macht. Zum Teil können wir schon die Vorstellungen beim Koalitionspartner erahnen. Aber wir werden sicher nicht jetzt über die Medien mit den Verhandlungen beginnen. Ich bin überzeugt, dass in unserem Team mit Norbert Zimmermann (Aufsichtsratschef der Berndorf AG, Anm.), Finanzminister Hans Jörg Schelling und Justizminister Wolfgang Brandstetter entsprechende Erfahrung und Fachkompetenz vorhanden sind.

Auch in Sachen Steuerreform wurde eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Wissen Sie, was dort gerade diskutiert wird?

Auch dort diskutiert eine Expertengruppe verschiedene Modelle, die werden dann zusammengefasst – und erst am Schluss kommt die politische Gruppe zum Einsatz. Natürlich wird die Politik auch jetzt schon da und dort informiert. Aber die Politik nimmt sich der Sache erst Ende November offiziell an, wenn die Experten ihre Vorschläge übergeben werden. Die große Kunst wird es dann sein, eine Gegenfinanzierung für die geplante Entlastung des Faktors Arbeit zu finden. Das wird umso schwieriger, weil ja gerade wieder dunkle Wolken am Konjunktur- und Budgethimmel aufziehen.

„Wir schlittern Richtung Rezession“ titelte „Die Presse“ am Samstag. Viele Industrielle erinnert die Situation frappant an das Jahr 2009. Was ist Ihre Einschätzung?

Ich glaube auch, dass das nächste Jahr relativ hart werden könnte, vor allem weil die budgetäre Entwicklung erst nächstes Jahr richtig zum Ausdruck kommen wird. Zweitens ist die Wirtschaftskrise mittlerweile auch bei den kleinen und mittleren Betrieben angekommen. Und drittens verliert die Konjunktur-Lokomotive Deutschland an Zugkraft. Hinzu kommt, dass die Niedrigzinspolitik der EZB in der Realwirtschaft nicht ankommt. Es werden keine Investitionen stimuliert. Unsere einzige Chance besteht also darin, unsere Stabilitäts- und Budgetsanierungspläne beizubehalten. Wachstumsimpulse braucht es aber auch. Die können nur von den Einrichtungen der EU kommen, Jean-Claude Juncker plant ja Ähnliches. Auch Public-private-Partnership-Modelle oder Crowdfunding muss man ins Auge fassen. Privatkapital ist schließlich genügend vorhanden.

PPP-Modelle, Crowdfunding: Dass die Banken das billige Geld an die Wirtschaft weitergeben, scheint nach wie vor für Sie keine Option zu sein?

Ende Oktober werden die Ergebnisse von den Stresstests auf dem Tisch liegen. Und wie ich höre, haben unsere Banken ihre Hausaufgaben grosso modo gemacht. Somit erwarte ich mir schon einen gewissen Vertrauensimpuls. Das wird uns auch helfen.

Aber Unternehmen investieren nur, wenn sie auch Marktchancen sehen.

Ich fahre (am heutigen Sonntag, Anm.) gemeinsam mit Außenminister Kurz, Wirtschaftskammerpräsident Leitl und mit einer großen Delegation nach China. Auch führende Wissenschaftler werden mich begleiten. Dort werden wir versuchen, all unsere Potenziale auszuschöpfen.

Aber in China wachsen die Bäume auch nicht mehr in den Himmel.

Aber sie wachsen immerhin. Sieben Prozent Wirtschaftswachstum ist trotzdem beachtlich. Österreichs Exporte wachsen heuer um 1,5 Prozent, Exporte nach China um zehn Prozent. Wir sind da auf einem wirklich guten Weg.

Wird es konkrete Geschäftsabschlüsse oder Verträge mit China geben?

Ich werde mehrere Verträge abschließen, die vorwiegend die Wissenschaft betreffen, aber auch die Wirtschaft. Und wir werden den stellvertretenden Ministerpräsidenten treffen.

Aber eigentlich müssten Sie mit einer Delegation in die USA reisen. Denn nicht China, sondern Amerika ist mittlerweile die treibende Kraft der Weltwirtschaft.

Stimmt. Wir sind ja froh, dass die Amerikaner dieses Momentum nützen, dass die US-Notenbank Fed an den niedrigen Zinsen festhält und der Arbeitsmarkt in den USA funktioniert. Aber es wird leider auch klar ersichtlich, dass es Europa nicht gelungen ist, der am stärksten wissensbasierte Wirtschaftsraum zu werden. Da haben wir gravierenden Nachholbedarf.

Dafür sind wir den USA bei den Umweltauflagen weit überlegen.

Ich hab erst jüngst wieder eine Aussendung der Grünen gelesen, wonach die EU bei den Klima- und Energiezielen zu weich sei. Ich glaube auch, dass wir entsprechende Vorgaben brauchen, wir müssen aber in Österreich nicht päpstlicher als der Papst sein. Wenn es etwa darum geht, dass Gasthäuser bei Lebensmitteln die Allergiewerte angeben müssen. Das bringt die Leute auf die Palme. Sogar bei Sparvereinen will man die Liste der Mitglieder dokumentieren, damit da keine Schwarzgelder gewaschen werden.

So viel zum Thema Entbürokratisierung.

Für mich ist aber der Abbau von Bürokratie das Thema Nummer eins.

Wo spart der Wirtschaftsminister selbst Bürokratie ein?

In den Unternehmen. Wir haben schon damit begonnen. Wenn der Hebebühnenwärter nicht mehr erforderlich ist, sparen Österreichs Betriebe 25 Millionen Euro ein. Wir wollen mehr Flexibilisierung und weniger Genehmigungen.

Weil von Sparen und Ministern die Rede ist: Haben Sie ein wenige Mitgefühl mit Ihrem Ministerkollegen Klug?

Ich glaube, beim Heer geht es nicht nur darum, budgetäre Vorgaben zu erfüllen. Dies so darzustellen, finde ich falsch. Es geht auch darum, dass sich das Bedrohungsbild aufgrund der geopolitischen Lage verändert hat. Und auch in der Regierung arbeiten wir anders: Früher wäre auf Mord und Brand über das neue System gestritten worden. Jetzt herrscht zumindest Konsens, das Thema rasch erledigen zu wollen. Und die Öffentlichkeit hat das Ventil genutzt, sich über die Musikkapellen zu alterieren.

Steckbrief

1. 9. 2014
Amtsantritt von Reinhold Mitterlehner (ÖVP) als neuer Vizekanzler. Bereits seit März dieses Jahres ist der Jurist Minister für Wissenschaft und Wirtschaft.

26. 8. 2014
Nach dem blitzartigen Rücktritt von Michael Spindelegger wurde Mitterlehner vom ÖVP-Bundesparteivorstand als neuer ÖVP-Obmann designiert. Die offizielle Wahl ist bei einem Bundesparteitag am 8.November dieses Jahres in Wien vorgesehen.

2. 12. 2008
Der frühere Vizegeneralsekretär der Wirtschaftskammer und ÖVP-Nationalratsabgeordnete, der am 10. Dezember 1955 in Helfenberg im oberen Mühlviertel geboren wurde, zog als Wirtschaftsminister erstmals in die SPÖ-ÖVP-Regierung ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2014)

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