In der modernen Wellness-Oase...

... rennt eher der altbackene Schmäh von vorgestern.

Rewe ist ein altehrwürdiger deutscher Handels- und Tourismuskonzern. „Revisionsverband der Westkauf-Genossenschaften“ hieß das Unternehmen eher umständlich, als es 1926 in Köln von drei strengen Herren mit steifen Stehkrägen gegründet wurde. Man ist mit der Zeit gegangen, sonst hätte man nicht so expandieren können. 220.000 Mitarbeiter hat Rewe heute in ganz Europa, 34.000 davon in Österreich, unter anderem bei Billa und Bipa.

Rewe legt beim Alkoholverkauf Wert auf den Jugendschutz; markiert kundenfreundlich den Kalorien-, Fett- und Zuckergehalt auf Lebensmittelpackungen; schenkt unverkäufliche Reste den Obdachlosen; ist offizieller Frischelieferant der deutschen Fußball-Nationalmannschaft; verteilt Broschüren zur ausgewogenen Ernährung und sponsert eine wöchentliche Kochshow im Fernsehen. Man hat auf Öko-Strom umgestellt, besitzt eine patentierte computergesteurte Kühlkette, verteilt Sicherheitsreflektoren an Schulkinder und unterstützt die Rettung der Eisbären mit 150.000 Euro. Soziale Verantwortung, neues Denken, bewusstes Handeln: Wahrscheinlich beschäftigt man ganze Heerscharen von PR-Fuzzis, die den ganzen Tag lang solche Wörter murmeln.

Irgendwann müssen ein paar PR-Fuzzis auch über Bipa gebrütet haben, der modernen Oase von Beauty und Wellness, wo es alles gibt, was schön und sexy macht. Die Aufgabe: ein neues Werbegeschenk für Kunden. Speziell für Männer. Zum Vatertag. Besonders originell. Augenzwinkernd anzüglich. Charmant wie Rainhard Fendrich, in Sendungen wie Herzblatt. Und siehe da: Fußball! ist ihnen eingefallen. Ein Pfeiferl und ein paar rote und gelbe Karten, die der Papa zücken kann, wenn ihn auf der Fernsehcouch grad ein Bedürfnis überkommt. Das Wort „BIER!“ kann er seiner Holden etwa entgegenstrecken. „SEX!“. Oder „RUHE!“, je nachdem.

Und falls die Holde nicht spurt – die Erläuterung gibts von Bipa auf der Kartenrückseite gleich dazu. „SCHATZ! Du hast so schöne gepflegte Beine. Sei doch so nett und lauf damit mal rüber zum Kühlschrank und hol mir ein kühles Erfrischungsgetränk, damit ich deinen eleganten Laufstil bewundern kann.“ Hat da wer „Bist deppert?“ gesagt? Dann setzt es Rot. „SCHATZ! Deine Lippen sind so sinnlich und wunderschön. Aber wusstest du, dass sie am allerschönsten sind, wenn du sie geschlossen hast?“

Ist doch alles, naja, lustig. Die alten Herren im Stehkragen zumindest, die von 1926, hätten damals vielleicht kichernd gehüstelt ob der Unschicklichkeit. Die gegenwärtigen Verkäuferinnen hingegen, die modernen Heldinnen des Konsumzeitalters, die den Kunden ein derartiges Vatertagsgeschenk in die Hand drücken müssen, lächeln tapfer und professionell, während es ihnen unter der Kassa wahrscheinlich die Zehennägel aufrollt vor lauter Peinlichkeit.

Jene PR-Fuzzis, die dem Rewe-Konzern für so etwas Honorarnoten gestellt haben, seien inständig gebeten: Sponsern Sie Kochshows. Erforschen Sie die Kühlkette. Kümmern Sie sich um die deutsche Nationalmannschaft. Retten Sie die Eisbären. Nur was das Lustigsein betrifft – lassen Sie's. Weil Ihre sinnlichen Lippen am allerschönsten sind, wenn sie geschlossen sind.

Sibylle Hamann ist Journalistin in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2008)

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