Warnschilder fürs Bio-Buch?

In den USA ist jeder sechste Biologielehrer Kreationist. Viele Eltern schätzen das.

Das Leben und wir Menschen sind in einem sich Jahrmilliarden dahinschleppenden Prozess des Ausprobierens und Auslesens entstanden. Ungefähr so lernen wir es im Biologie-Unterricht. Nicht überall machen es die Lehrer den Schülern so schwer: Die Erde wurde von Gott in sechs Tagen erschaffen – so lernen es viele amerikanische Kinder. Die erste landesweite Umfrage unter Biologielehrern an öffentlichen Schulen der USA zeigt: Jeder sechste deklariert sich als Kreationist.

Nach einem Urteil des Obersten US-Bundesgerichts von 1987 und zahlreichen Folge-Urteilen hat der Kreationismus zwar an öffentlichen Schulen nichts mehr zu suchen (weil er gegen die Trennung von Kirche und Staat verstößt) – aber die bibel-beseelten Amerikaner sind findige Menschen. Sie haben ihre Theorie verfeinert: Sie sprechen nicht mehr vom Schöpfer-Gott, sondern von einem „intelligenten Designer“. Wer Gott nicht erwähnt, vertritt keine Glaubensmeinung, verstößt nicht gegen die Trennung von Kirche und Staat. Die Vertreter des „Intelligent Design“ behaupten nicht mehr, dass die Erde in sechs Tagen entstanden sei (ein Tag in der Genesis kann ja vielleicht 1000 Jahren entsprechen) und gestehen auch zu, dass sich die Arten im Laufe der Jahre an ihre Umgebung angepasst haben könnten. Vom grundlegenden Schöpfungsgedanken haben sie sich aber nicht verabschiedet.

Auch das half nicht lange: Am 20. Dezember 2005 entschied ein Gericht in Pennsylvania, dass „Intelligent Design“ nur Kreationismus unter neuem Label sei. Trotzdem ist weder der Kreationismus noch die Lehre vom „Intelligent Design“ aus den Klassenzimmern verbannt worden. Das mag auch daran liegen, dass die Eltern es nicht anders wollen: Viele Amerikaner (Umfragen schwanken zwischen 38 und 66 Prozent) wollen in den Schulen keine Evolutionstheorie, sondern Kreationismus gelehrt sehen.

Sogar Warnschilder für das Standard-Biologielehrbuch waren in Diskussion: „Dieses Lehrbuch enthält Material über die Evolution. Die Evolution ist keine Tatsache, sondern eine Theorie über den Ursprung der lebenden Materie. Man sollte sich diesem Material mit einem offenen Geist nähern, es sorgfältig studieren und kritisch darüber nachdenken.“

Woher kommt die Angst vor der Evolutionstheorie? Denk-Faulheit meinen manche. So schreibt Susan Jacoby in „The Age of American unreason“: Die Überzeugungen der meisten Amerikaner gründen in einer „konfusen Melange aus Faulheit, hemmungsloser Emotionalität und Vorurteilen“. Fest steht: Im US-Unterricht investieren Kreationisten drei Stunden in die Vermittlung ihrer Lehre, Darwinisten benötigen immerhin 15 Stunden. tom

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2008)

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