Kein Wahlrecht für Rolltreppenfahrer!

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Irgendwo am Eingang zur Wiener U-Bahn muss ein Mechanismus versteckt sein, mit dem bei einzelnen Fahrgästen jegliche Form sozialer Intelligenz ausgeknipst wird.

Wie sonst ist es zu erklären, dass einige Spezialisten noch immer nicht behirnt haben, dass auf der Rolltreppe die linke Spur nicht zum Stehen gedacht ist? Obwohl schon jede Kindergartentante ihrer Gruppe das zweispurige System eintrichtert, obwohl es bei jeder Rolltreppe angeschrieben steht – rechts stehen, links gehen –, stößt man beim gehetzten Aufstieg in wunderbarer Regelmäßigkeit an zumindest einen massiven Rücken, gefolgt von einem Blick zwischen Ratlosigkeit, Überraschung und Verwunderung, sobald man die verbale Lichthupe betätigt und freien Durchgang für freie Rolltreppenfahrer verlangt. Nicht selten geht der Anblick jenes Rückens nahtlos in das Bild zweier sich entfernender roter Punkte am Heck der U-Bahn über. Vielen Dank, sagt man da.

Ähnlich verhält es sich mit jenen Unbelehrbaren, die sich wie eine Schar pubertierender Mädchen beim Robbie Williams-Konzert vor die Tür des einfahrenden Waggons drängen, um aussteigenden Passagieren auch ja möglichst wenig Chancen zu geben, aus der Tür zu kommen. Auch hier denken wir an all die Kindergärtnerinnen und Volksschullehrer, die das Mantra vom „zuerst aussteigen lassen“ in fast schon buddhistischer Leidensfähigkeit rezitieren. Viel Erfolg dürfte dieser Repetitionspädagogik dennoch nicht beschieden sein, wie wir täglich aufs Neue erleben.

Das Traurige an Linksstehern und Türblockierern ist, dass sie nicht nur unbelehrbar und nervtötend sind. Nein, die dürfen auch wählen! Ein bisschen lässt einen der Gedanke dann schon erschauern, dass irgendwo beim Eingang zu den Wahllokalen auch ein geheimer Mechanismus angebracht sein könnte.


erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2008)

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