Paul Albert Leitner: Der Trotz-Fotograf

(c) Paul Albert Leitner
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Computer, Handy, Digitalkamera? Kommt für Paul Albert Leitner nicht in Frage. Er fotografiert mit einer alten
Spiegelreflexkamera. Und zwar am liebsten sich selbst.
Im zitronengelben „Fotoanzug“.

(c) Paul Albert Leitner

TIPPS

Fotografiert wird auf diesem Planeten unendlich viel – und seit ungefähr zehn Jahren, also seit Digitalkameras leistbar geworden sind, noch viel mehr. Momente wollen ja festgehalten werden – ungeachtet dessen, ob sie unvergesslich sind oder nicht. Allerdings schwindet auch deren Bedeutung: Je uferloser fotografiert wird, umso mehr verblasst der Wert des Einzelbildes. Ein kleiner Teil derer, die fotografieren, sind Fotokünstler. Bei ihnen haben Fotos, wie auch bei anderen Bildprofis, nicht vordergründig dieselbe Erinnerungsfunktion wie bei den knipsenden Privatfotografen.

Einer, der sich dieser Entwicklung – stets mit einem Auge auf der Privatfotografie – aus der Position des Künstlers entgegenstemmt, ist Paul Albert Leitner. Der Entwicklung der Technologie und dem Tempo der Gegenwart zum Trotz weigert sich der 1957 geborene Innsbrucker, jeglichen durch die Zeitgeist-Industrie unterstützten Komfort  in Anspruch zu nehmen. Die Fotografie hat er 1973-1976 in einem Tiroler Fotostudio von der Pike auf gelernt („Ich hatte mit Motiven vom Weihnachtsbaum bis zum Ausflug zu tun“), seit 1986 ist er offiziell freischaffender Künstler.

Obstschachteln und Schreibmaschine. Nicht nur, dass Leitner bis heute weder Handy noch Computer und Internet sein Eigen nennt, folglich nur telefonisch zu „Amtszeiten“ am Vormittag in seinem Wohnungsatelier erreichbar ist und sein in zig Obstschachteln untergebrachtes Bild-, Dia- und Film-Archiv immer noch mit der Schreibmaschine einpflegt: Auch als Arbeitsgerät verwendet er bis heute eine einfache Spiegelreflex-Kamera aus den Achtzigerjahren, die schon lange nicht mehr produziert wird. „Eine Canon AE-1 mit einem Normalobjektiv oder manchmal einem leichten Tele, was mir oft nicht geglaubt wird“, sagt er. „,Mister Paulo, wo ist deine richtige Kamera?‘, bin ich erst kürzlich auf meiner letzten Iran-Reise gefragt worden.“ Somit lebt Leitner mit einer Zeitbombe: „Ich habe Angst, dass der Tag kommt, wo es keine analoge Fotografie mehr gibt. Schon jetzt büße ich für meine Arbeitsweise mit Strafaufschlägen, wenn ich meine Bilder im Labor ausarbeiten lasse.“
Leitner betreibt Fotografie sozusagen von der Basis aus. „Die Themen liegen auf der Straße, es gibt hunderte, daher setze ich Schwerpunkte“, sagt er.

Sein Repertoire umfasst alle klassischen Genres, wobei der penible Systematiker in seinen Ausstellungen und Büchern die Themen gerne paarweise arrangiert. „Porträts versus Selbstporträts, Botanik versus poetische Stillleben, Architektur im Übergang mit der Landschaft.

Streetlife, Nightlife“, listet er mögliche Kombinationen auf. „Es gibt so viele mögliche Bezüge.“ Immer wieder sind auch die Reisen ein Thema: Jetzt etwa, für seine erste umfassende Retrospektiv-Ausstellung im Innsbrucker „Fo.ku.s“, der er den Titel „Die Welt sehen“ gegeben hat, greift er Buenos Aires, Kuba, Rom, Memphis heraus.

Die Pose ist wichtig. Ein Genre, das sich wie ein roter Faden durch Leitners Werk zieht, ist das Selbstporträt. Allein 47 davon wird er in einem eigenen Block in Innsbruck zeigen, aufgenommen zwischen Bukarest, Miami, Havanna und der iranischen Wüste. Wenngleich die Settings ganz unterschiedlich sind, gibt es drei Wiedererkennungsmerkmale: die dunkle Sonnenbrille, die Pose und den immer selben „Fotoanzug“. „Diese Pose ist ganz wichtig!“, sagt Leitner. „Sie geht ebenso zurück auf Gilbert & George wie auf chinesische oder japanische Touristen, wo der Akt des Fotografierens ein militärischer ist.“

Selbst eine Pose ist schließlich der Anzug, der ursprünglich für eine Kuba-Reise 1997 angefertigt wurde. „Ich hatte verstanden, dass man in Kuba damals, wo jeden Moment Frank Sinatra oder Nat King Cole um die Ecke hätten kommen können, einen schönen Anzug braucht.“ Seitdem ist dieser zitronengelbe Anzug, den es in dreifacher Ausfertigung gibt, immer dabei. „Der Anzug passt mir hinten und vorne nicht mehr. Aber das ist Teil der Arbeit, dass er so lange im Einsatz ist, bis es einen neuen Fotoanzug gibt.“

Ausstellungen
FO.KU.S, Innsbruck: Bis 31.10.
Galerie Rhomberg, Innsbruck: 19.9.-25.10.

Buchtipp
„Paul Albert Leitner. 0-24. Signs & Advertisements.“, Fotohof edition, 2008

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