Die Welt bis gestern: Dankbarkeit für eine hilfreiche ÖVP

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Die "Affäre Polcar": Illegale Parteifinanzierung in den Fünfzigerjahren.

Er hieß Fritz Polcar und wollte hoch hinaus. Das gelang ihm bis zu einem gewissen Grad – umso tiefer war dann sein Fall. Der 1909 in Wien Geborene war technischer Kaufmann und Versicherungsvertreter, engagierte sich bei den Christlichsozialen und büßte dies 1939 mit politischer Freiheitsstrafe, weil er die Widerstandsgruppe Hebra unterstützt hatte.

1945 war Fritz Polcar ein „Mann der ersten Stunde“. Das feit freilich nicht unbedingt vor krummen Parteifinanzierungen. Es gab damals keine staatliche Parteienförderung, die politischen Gruppen mussten selbst für ihr Budget sorgen. Und so wurde Polcar für die Volkspartei ein wahrer Segen. Man machte ihn sehr bald zum Bezirksparteiobmann von Wien-Meidling und bereits 1947 zum Wiener Landesparteiobmann. 1953 kam noch ein Nationalratsmandat hinzu. Polcar war am Ziel seiner Wünsche angelangt. Polcar war tüchtig.

Ein Schrift'l ist ein Gift'l

Und stark beschäftigt. Viele Unternehmer suchten seinen Rat, seine Hilfe – das beruhte auf Gegenseitigkeit. Allerdings vernachlässigte der einflussreiche Mann ein ehernes Grundgesetz in der Politik: Nie etwas Schriftliches aus der Hand geben! Irgendwann rächt sich die Unvorsichtigkeit.

Am 30. März 1954 bekam der Mineralölgroßhändler und spätere Wiener „Garagenkönig“ Hans Pruscha Post aus der Falkestraße, dem Sitz der Wiener ÖVP: „Wir haben Ihren Wunsch zur Kenntnis genommen, im Raum Salzburg-Mondsee der Autobahn eine Tankstelle zu errichten. Die Österreichische Volkspartei ist bereit, Ihnen hiebei jede erforderliche Unterstützung zur Erlangung der Genehmigung zu gewähren...“

Tags darauf bereits übermittelte Pruscha 100.000 Schilling als Anzahlung auf eine Provision. Aber er war misstrauisch: „Sollte der Vertrag bis zum 30.Juni dieses Jahres nicht zum Abschluss gelangen, erhalte ich die gegebene Anzahlung innerhalb von acht Tagen zurück.“

Keine Sorge, alles in Ordnung: Polcar besprach sich mit einem „besagten Herrn“ im Handelsministerium, wie er schrieb, forderte weitere 150.000 Schilling für die Parteikasse – und am Schluss waren beide Teile sehr zufrieden.

Ein Geschenk für die SPÖ

Das Unglück wollte es, dass die gesamte Korrespondenz in der Redaktion der „Arbeiter-Zeitung“ landete. Eine wilde Medienkampagne setzte ein, aber die ÖVP konnte auf ihren effizienten Geldbeschaffer schwer verzichten. Und er wusste das.

Also wurde Polcar neuerlich tätig. Und zwar für die Osthandelsfirma „Transfines“ des Otto Sklenar, Wien 1., Rudolfsplatz 5. Für die Montanwerke Brixlegg verschaffte die Partei der „Transfines“ Vertretungen in den Oststaaten. Ja, sie ging einen regelrechten Vertrag mit Sklenar ein: Schuhe, Motorräder habe man schon erfolgreich exportiert, auch bei Krediten war man hilfreich. Als Entgelt für die Unterstützung wurde ein jährlicher Mindestbetrag von 500.000S ausgemacht. Bei besonders lukrativen Geschäften hatten Polcar und sein Landesfinanzreferent Wollinger eine Gewinnbeteiligung vereinbart, die aber gar nicht konkret beziffert wurde. Man hatte es schließlich mit „Gentlemen“ zu tun.

Schulden bei der Partei

Ein halbes Jahr nach Vertragsunterzeichnung musste Polcar der „Transfines“ freilich etwas ungemütlich auf die Sprünge helfen: „Gemäß unserem Übereinkommen stellen wir nach der uns überlassenen Bucheinsicht fest, dass wir zunächst einen Betrag von 277.777S für das Geschäftsjahr 1956 zu erhalten haben, mit dem wir Ihr Konto belastet haben. Wir wären Ihnen für eine Akonto-Zahlung dankbar“ usw....

Die SPÖ dürfte damals gute Informanten gehabt haben. Jedenfalls machte die „Arbeiter-Zeitung“ wieder viel Wind. Polcar leugnete, worauf die „AZ“ den Originalbrief faksimilierte. Ein Ehrengericht der Partei untersuchte den Fall und sprach lediglich eine Rüge aus. Um aus der Schusslinie zu gelangen, erstattete die ÖVP Anzeige wegen Verletzung des Briefgeheimnisses gegen SP-Innenminister Oskar Helmer und Polizeipräsident Josef Holaubek. Was umso wütendere Attacken der „AZ“ provozierte.

Im Jänner 1958 stellte sich Polcar dem Wiener Landesparteitag und wurde im Amt bestätigt. Der Präsident des Nationalrates, Felix Hurdes, ein KZ-Kamerad Polcars, hatte sich beredt ins Zeug gelegt: „Unser Fritz Polcar war nicht nur der Führer, der irgendwo sitzt und andere in den Kampf hineinjagt, sondern bei jedem Kampf in der vordersten Reihe zu finden war...“

Trans fines

Dieser so Gelobte zeigte sich einsichtig: „Ich werde meine Unterschrift sicher unter kein Dokument mehr geben, das Geld zum Gegenstand hat!“ Und dann krönte er seine Ansprache mit dem Ausruf: „Es wird härteste Arbeit sein. Alle aber bitten wir vor Beginn dieser Arbeit den Herrgott um seinen Segen!“ Das wieder kommentierte die „Arbeiter-Zeitung“ gallig: „Das ist wirklich trans fines – jenseits der Grenzen des guten Geschmackes...“

Und dann Haselgruber...

Aber Polcar hatte noch andere Eisen im Feuer. Die Affäre rund um seinen Freund Johann Haselgruber sollte letztlich zu seinem Untergang führen. Der hatte als Eisengroßhändler mit Ostkontakten in Sankt Andrä-Wördern ein Imperium aufgebaut. 1400 Arbeiter fanden hier ihr Brot. 1958 geriet die Firma in Turbulenzen, Haselgruber gab der Wiener ÖVP „Darlehen“, um seinerseits an Kredite zu gelangen. Als sich der Konkurs nicht mehr verhindern ließ, fand man rund 20 Millionen Schilling als Parteispende an die Falkestraße in Haselgrubers Büchern. Die verstaatlichte Alpine Montangesellschaft musste das Stahlwerk auffangen.

Dem Bundesparteiobmann Julius Raab reichte es – am 6.Juni 1958 musste Polcar seine Ämter abgeben. Doch über die Journalisten war Raab trotzdem maßlos empört. Da „Die Presse“ an vorderster Front gegen Polcars Geschäfte kämpfte, drohte der angeblich so gütige Raab dem „Presse“-Verleger Fritz Molden mit der Sperre aller Kredite durch österreichische Banken. Polcar bäumte sich ein letztes Mal auf und mischte im legendären „Zeitungskrieg“ des Jahres 1958 mit. Aber das ist schon eine andere Geschichte. [Quelle: Archiv Wolfgang Oberleitner †]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2008)

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