José Carreras: Auftakt einer Welttournee in Wien

(c) AP (Zak Hussein)
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Mit „Mediterranean Passion“ feiert der Tenor sein 50-jähriges Bühnenjubiläum im Konzerthaus.

Bravo, José!“, rief die jüngere Dame immer wieder, als nach dem Ende des offiziellen Programms das Publikum mehrheitlich außer Rand und Band geraten und viele zum Podium gestürmt waren, um dem Idol Blumen und Briefchen zu überreichen, die dieses huldvoll und dankbar entgegen nahm.

Was den Tenor Carreras betrifft, sind ja erst 38 Jahre vergangen, seit er am Gran Teatre del Liceu in Barcelona in „Nabucco“ debütiert hat. Dass er aber bereits als elfjähriger Sopranknirps auf der nämlichen Bühne mit Musik von Manuel de Falla zu hören war, macht das goldene Jubiläum bereits jetzt perfekt. Eine neue CD nebst einer Konzertserie feiert dieses Ereignis, das am Freitag zum Tourneestart beileibe nicht nur Damen von unter 14 bis jenseits des doppelten Vierzigers ins Wiener Konzerthaus lockte – den stolzen Preisen zum Trotz.

„Mediterranean Passion“ heißt die Nummernfolge, bei der Carreras gemeinsam mit leidlichen Partnern (Sopranistin Isabel Rey und dem Ambassade Orchester unter David Giménez) zwischen „Zarzuela“ und „Canzona“ geschmacklich wieder auf sichererem Boden wandelt und von Nachfolgeerzeugnissen etwa zur seinerzeit von ihm verschnulzten „Mondscheinsonate“ Abstand nimmt. Sängerisch tritt José Carreras ja seit Langem gleichsam außer jeder (tenoralen) Konkurrenz an.

Jenseits der tenoralen Konkurrenz

Er hat sich ins geschützte Biotop von Konzertauftritten zurückgezogen, wo er mit maßgeschneiderten Arrangements noch optimal punkten kann. Denn die besagten Arrangements ermöglichen ihm, zwischendurch und wie aus der Ferne längst vergang'ner Zeiten sein unverkennbares Timbre noch aufblitzen zu lassen – vor allem dort, wo er mit halber Stimme, aber unvermindertem Einsatz operieren kann.

Die Höhepunkte waren an diesem Eröffnungsabend der internationalen „Passion“-Tournee freilich mehr in den neun (!) Zugaben zu finden: Weniger die von Isabel Rey beigesteuerten Hits „Carceleras“ von Chapí und de Curtis' „Non ti scordar di me“, sondern etwa „Perché?“, von Pennino, Cardillos „Core 'ngrato”, Tagliaferris „Passione” oder „O paeso d'o sole“ von d'Annibale.

Jene Fans, die den Interpreten noch von der Opernbühne her kennen und ihm unvermindert die Treue halten, wissen ja genau und lieben unvermindert, was sie erwartet, kommen deshalb auch gar nicht auf die Idee, sie könnten eine pumperlg'sunde Stimme hören, die spielerisch-leichten Umgang mit sängerischen Aufgaben zu pflegen imstande wäre.

Echo des Siegs gegen die Leukämie

Im Gegenteil: Das Phänomen Carreras erfordert gleichermaßen, dass Anstrengung, Willenskraft und die erregende Gefahr dramatischen Scheiterns auf Schritt und Tritt hörbar bleiben, aber von dem Unermüdlichen dann doch immer wieder aufs Neue und auf seine spezielle Weise bezwungen und niedergerungen werden – weil darin auch ein Echo dessen mitschwingt, was sein Bild in der Öffentlichkeit entscheidend mitprägt: der persönlich errungene Sieg gegen die Leukämie. Das macht den Tenor freilich längst auch für völlige Opern-Abstinenzler zur Identifikationsfigur. Schon 210 Millionen gesammelte Euro für seine Leukämie-Stiftung – da dürfen nicht nur ausgewiesene Verehrerinnen glücklich sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2008)

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