Wie aus Benzin und Diesel Strom wird

Für einen effizienteren Umgang mit Energie sind neue Materialien nötig. Ein hochkarätiger Kongress in Leoben schafft einen Überblick über innovative Methoden.

Wenn man chemische Energie in Elektrizität umwandeln will, muss man derzeit einen Umweg gehen: Der Energieträger wird verbrannt, die Wärme treibt einen Generator an, der Strom produziert. Allein durch die oftmalige Umwandlung – von chemischer in thermische, in mechanische, in elektrische Energie – gibt es unvermeidliche Verluste. Zudem sind chemische und elektrische Energie hochwertige Formen von Energie, die Zwischenstufen sind hingegen niederwertiger.

Der einzige direkte Weg ist durch Brennstoffzellen möglich. Dort wird ein Brennstoff kontrolliert mit Hilfe von Sauerstoff oxidiert. Chemisch gesehen geschieht dabei dasselbe wie bei einer Verbrennung, nur ohne Flamme. Die Reaktion wird auf mehrere Orte verteilt: An der Anode werden Elektronen vom Brennstoff abgespalten, an der Kathode wird Sauerstoffgas in negativ geladene Sauerstoffionen umgewandelt. Je nach Brennstoffzellentyp wandern Sauerstoff- oder Wasserstoffionen durch das Innere der Zelle zur jeweils anderen Elektrode, wo sie zu den Endprodukten reagieren. Gleichzeitig entsteht ein Elektronenfluss, der als elektrischer Strom genutzt wird.

Im einfachsten Fall wird aus Wasserstoff- und Sauerstoffgas Wasser und Strom. Bei dieser Technologie ist man schon relativ weit, in Bälde werden die ersten serienreifen Produkte zu vernünftigen Preisen auf den Markt kommen. Doch die Sache hat einen Haken: Nötig dafür ist Wasserstoffgas. In der Theorie ist das ideal: Wasserstoff wird aus erneuerbarer Energie – etwa Wind oder Sonne – durch Elektrolyse hergestellt. Man benötigt keine fossile Energie, die Umwandlung ist völlig CO2-neutral.

In der Praxis ist das aber kaum möglich. Nicht nur, dass derzeit etwa 90 Prozent des Wasserstoffes aus Kohlenwasserstoffen erzeugt werden: Auch beim Transport und bei der Speicherung von Wasserstoff sind noch viele Probleme ungelöst – die Forschung läuft auf Hochtouren (siehe Artikel unten).Eine bestimmte Bauart von Brennstoffzellen ist da besser: Diese kann Methanol in Strom verwandeln. Doch auch Methanol muss vorher aufwendig hergestellt werden.

Ein völlig anderer Weg tut sich mit Hochtemperatur-Brennstoffzellen auf: Diese können nicht nur Wasserstoff, sondern auch Erdgas, Biogas und künftig sogar flüssige Kohlenwasserstoffe wie Benzin oder Diesel direkt in Strom verwandeln. Das ist nicht der einzige Vorteil. „Hochtemperatur-Brennstoffzellen besitzen von allen Typen den höchsten Wirkungsgrad“, erläutert Werner Sitte, Professor für Physikalische Chemie an der Montanuniversität Leoben.

Diese in der Fachwelt SOFC („Solid Oxide Fuel Cell“) genannten Aggregate funktionieren nach dem gleichen Grundprinzip wie Wasserstoff- oder Methanol-Brennstoffzellen, im Detail sind die Abläufe aber etwas anders. An der Anode wird – dank der hohen Betriebstemperatur – der Brennstoff in kleinere Moleküle zerlegt, ohne dass dafür ein spezieller „Reformer“ erforderlich wäre. An der Kathode wird Sauerstoff in Sauerstoffionen verwandelt. Zwischen den beiden Elektroden liegt ein keramischer Festkörper mit einer besonderen Eigenschaft: Er leitet Sauerstoffionen, aber keine Elektronen. Dadurch wird die chemische Reaktion vom Elektronenfluss getrennt.

Strom im Standbetrieb

Dass das Prinzip funktioniert, zeigen große Praxistests. Ein Schweizer Hersteller beispielsweise betreibt rund 100 SOFCs in Kellern von Einfamilienhäusern, wo aus Erdgas praktisch lautlos Strom und Wärme erzeugt werden. Der Wirkungsgrad liegt bei über 90 Prozent. Auch Autohersteller testen SOFCs. Ihnen geht es vor allem um den Strom – und zwar für die Versorgung der elektronischen Systeme. „Bei modernen Autos ist ein nennenswerter Anteil der benötigten Energie Strom“, erläutert Sitte. Besonders problematisch ist dabei der Strom, der vor dem Start des Motors da sein muss: beim Kaltstart, zum Hochfahren der Elektronik, für eine Scheiben- und Sitzheizung; aber auch der Strom für Nutzfahrzeuge im Standbetrieb. Der Grazer Motorenentwickler AVL List arbeitet an derartigen „Auxiliary Power Units“ (APU) auf SOFC-Basis.

Derzeit sind Hochtemperatur-Brennstoffzellen allerdings noch sehr teuer, die Kosten betragen ein Vielfaches von dem, was für die Markteinführung nötig wäre. Bei der Verbilligung kommt der Materialwissenschaft entscheidende Bedeutung zu. Derzeit werden SOFCs bei Temperaturen von 900 Grad betrieben. Das ist aufwendig und teuer. „Ziel ist die Absenkung der Betriebstemperatur auf 600 bis 700 Grad“, so Sitte. Das würde die Verwendung von billigeren Materialien ermöglichen – wie sie etwa der Tiroler Metallkonzern Plansee schon entwickelt.

Der Weg dorthin ist aber noch steinig. Daher haben sich 22 Partner, unter ihnen die Montanuni, in dem EU-Forschungsprojekt „SOFC600“ zusammengetan. „Es geht vor allem um die Verringerung der hohen Investitionskosten und die Verbesserung der Langszeitstabilität“, erläutert Sitte. So müssen die Keramiken – das Herzstück der Hochtemperatur-Brennstoffzellen – besser leitfähig für Sauerstoffionen werden. Hergestellt werden die Materialien durch „Sintern“ – also Brennen von gepressten Pulvern bei 1300 bis 1500 Grad. Durch Verwendung von nanokristallinen Elektrolytpulvern können die Temperatur und damit die Kosten deutlich gesenkt werden. Die Treibacher Industrie AG entwickelt derzeit Oxidpulver, die durch billigere Verfahren wie Foliengießen oder Siebdruck verarbeitet werden können. Auch andere Probleme harren noch einer Lösung: So muss etwa die Anode beständig gegen Schwefel sein – das ist die Voraussetzung für die Verstromung von Biogas. Auch die direkte Reformierung der Kohlenwasserstoffe an der Anode muss verbessert werden: „Bei 900 Grad läuft alles wunderbar, bei niedrigeren Temperaturen kann es aber zu Rußbildung kommen.“ Das soll durch Katalysatoren verhindert werden.

Und wann werden Hochtemperatur-Brennstoffzellen reif für die Praxis sein? Sitte wagt keine konkrete Vorhersage. Einige Jahre werden sicher noch ins Land ziehen – das EU-Projekt läuft jedenfalls noch bis 2010.

„POWERED BY MATERIALS“

Der 6. Werkstoffkongress mit dem Zukunftsdialog „Powered by Material“ findet am 6. und 7. November 2008 in Leoben statt. Diskutiert werden Optionen für Energieeinsparung und -erzeugung, die durch neue Werkstoffe möglich werden. Neben Brennstoffzellen und Leichtbau werden auch Themen wie Sonnenenergie, Kernfusion oder CO2-Reduktion behandelt.

www.materialcluster.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2008)

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