Steinmeier: „Können wir bitte die Tassen im Schrank lassen“

Merkel und Sarkozy
Merkel und Sarkozy(c) AP (Michel Spingler)
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Deutschland-Frankreich: Das Verhältnis zwischen den beiden großen EU-Playern ist derzeit empfindlich gestört. Sarkozy zeigte sich „stinksauer“ über Merkels „Versagen“ in der Finanzkrise.

Berlin. „Ich liebe Angela Merkel“, hatte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy noch vor wenigen Monaten über die deutsche Kanzlerin gesagt. Es sei für ihn eine „Chance und ein Glück“, mit „dieser mutigen und intelligenten Frau“ zusammenarbeiten zu dürfen. Nicht, dass es damals keine Differenzen gegeben hätte – immer wieder einmal war sich das Duo uneins, etwa bei der EU-Verfassung oder der Mittelmeerunion –, aber im Grunde funktionierte die Zusammenarbeit der beiden großen EU-Player.

Jetzt aber ist das Verhältnis ernsthaft angeknackst. Sarkozy zeigte sich „stinksauer“ über Merkels „Versagen“ in der Finanzkrise. In Berlin wächst indes der Verdruss über den jüngsten französischen Vorstoß für eine gemeinsame europäische Wirtschaftsregierung. Die deutsche Regierung, die über Sarkozys Vorschlag vorab nicht informiert war, sieht gar die Gefahr einer Spaltung der EU. Frankreich rühre „an den Nerv der Union“, heißt es aus dem Kanzleramt.

Anfangs gab es zu der französischen Initiative nur eisiges Schweigen. Dann folgte eine knappe Erklärung von Wirtschaftsminister Glos, dass der Vorschlag „allen erfolgreichen Grundsätzen unserer Wirtschaftspolitik“ widerspreche. Außenminister Frank-Walter Steinmeier wiederum fand scharfe Worte zu Sarkozys Plänen für eine staatliche Beteiligung an Schlüsselindustrien: „Wollen wir Teile der deutschen Wirtschaft verstaatlichen? Können wir mal bitte die Tassen im Schrank lassen?“

„Gedopter“ Sarkozy erweckt Misstrauen

Dem französischen Präsidenten wird in Berlin nicht so recht getraut. Hinter einer „europäischen Wirtschaftsregierung“ vermutet man eine, in der Frankreichs Präsident den Ton angibt. „Es ist gefährlich, wie sehr die Finanzkrise für Sarkozy als Dopingmittel wirkt“, schreibt die „Financial Times Deutschland“, denn „der Präsident fühlt sich durch sein gelungenes Krisenmanagement derart stark, dass er jetzt den offenen Konflikt mit Deutschland wagt“. Bei seinem Versuch, das europäische Wirtschaftsmodell aus den Angeln zu heben, dürfe es keine Kompromisse von deutscher Seite geben. Ein Bruch mitten in der Krise „hätte verheerende Folgen für die gesamte EU“.

Im Prinzip sind sich angesichts der Finanzkrise alle Beteiligten einig, dass man in der Wirtschaftspolitik enger kooperieren müsse. Doch die Rolle des Staates ist dabei umstritten. Merkel dringt auf eine Reform des Finanzsystems, Sarkozy möchte den staatlichen Einfluss auch auf die Industrie ausdehnen. Europas Position für den Weltfinanzgipfel in Washington Mitte November soll nächste Woche bei einem Treffen abgestimmt werden, zu dem Frankreich nach Brüssel geladen hat. Bleibt abzuwarten, ob Sarkozy dort auf Merkel wieder stinksauer sein wird – oder ob die „Liebe“ neu erwacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2008)

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