Märtyrer des Kapitalismus

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Wer durch Wertverlustpapiere Geld verloren hat, lässt das gerne zumindest implizit durchklingen.

Das Jammern als Gruß gehört längst nicht mehr exklusiv den Kaufleuten. So mancher, der durch die Anlage seines Geldes in Wertverlustpapiere höchstens an Erfahrung gewonnen hat, lässt das zumindest implizit auch durchklingen. Nicht verbittert, versteht sich, man steht ja drüber. Und fühlt sich mit 30 Prozent weniger Geld im Depot fast schon als Märtyrer des Kapitalismus. Das geht übrigens auch ohne Wertpapiere – ein simpler Verkauf bei eBay kann genauso das Gefühl hervorrufen, am Scheiterhaufen der Ökonomie verbrannt zu werden.

Da war etwa kürzlich dieser Formel-1-Kalender aus dem Jahr 1997, der plötzlich beim Ausmisten in der Wohnung auftauchte – mit Autogrammen von Michael Schumacher, Gerhard Berger und weiteren Fahrern. Ein Geschenk eines Bekannten, der ihn von Heinz Prüller höchstpersönlich bekommen hat. Und jetzt? In den Müll damit? Nein, versteigern wir das Stück bei eBay – ein Formel-1-Fan könnte sich ja darüber freuen. Und tatsächlich, ein echter Fan bekam den Zuschlag. Als einziger Bieter. Für einen Euro. Na immerhin.

Die Versandkosten, zuvor mit einem eigenen Tool auf eBay aufwändig berechnet, sollten bei 9,50 Euro liegen. Wenige Tage später hatte der Käufer aus Deutschland 10,50 Euro überwiesen. Alles perfekt, Ware wird verschickt. Allein, für den etwas außerformatigen Kalender (43 x 31 cm) fand sich bei der Post kein passendes Kuvert. So musste es eben ein spezieller Karton sein (1,50 Euro). Ein Karton, der leider noch ein bisschen außerformatiger war – und deshalb als Paket verschickt werden musste. Für 12,83 Euro (plus 0,13 Euro Lkw-Maut). Am Ende zeigte die Kurve steil nach unten, wies die Bilanz ein Minus von 3,96 Euro aus. Liebe Anlagegeschädigte, liebe Investmentbanker, ich fühle mit euch.


erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2008)

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