Immofinanz wird nun zum Kriminalfall

Karl Petrikovics
Karl Petrikovics(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Immoeast-Bilanz ist möglicherweise falsch. Die Staatsanwaltschaft wurde bereits eingeschaltet.

wien (ju). Die Affäre um die Immobiliengruppe Immofinanz/Immoeast driftet zunehmend in Richtung Kriminalfall ab: Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG überlegt laut dem Nachrichtenmagazin „Profil“, ihr Testat für die letzte Bilanz (2007/2008) der Immoeast zurückzuziehen. Das würde einen Dominoeffekt in der Gruppe auslösen: Wird die Immoeast-Bilanz für falsch erklärt, dann steht auch die Bilanz der Mehrheitseigentümerin Immofinanz auf tönernen Füßen. Für die mit Liquiditätsproblemen kämpfende Gruppe, die mit den Banken gerade über lebensnotwendige Kredite verhandelt, wäre das fatal.

Knackpunkt ist wie berichtet die 512-Mio.-Euro-Forderung der Immoeast an eine „Immofinanz Beteiligungs AG“, die formell nicht zur Immofinanz-Gruppe gehört, sondern über Liechtensteiner Stiftungen der Familie Turnauer zugerechnet wird. Diese Ibag ist möglicherweise als Zwischenvehikel für (nicht genehmigte) Rückkäufe von Immofinanz-Aktien missbraucht worden. Von der Immoeast sind jedenfalls 900 Mio. Euro (von denen noch 512 Mio. Euro offen sind) über Ibag-Konten geschleust worden – ohne dass deren Organe dies bemerkten. Der Aufsichtsrat hat den früheren Chef der Immofinanz, Immoeast und Constantia Privatbank, Karl Petrikovics, verdächtigt, die Transaktionen veranlasst zu haben. Der dementiert aber und beschuldigt den (immer noch amtierenden) Finanzchef von Immofinanz und Immoeast, Christian Thornton, die Transaktionen getätigt zu haben. Tatsächlich war Thornton auf den Geschäftskonten der Ibag zeichnungsberechtigt, obwohl die Ibag mit der Immofinanz-Gruppe formalrechtlich nichts zu tun hat.

Sollte KPMG das Testat zurückziehen, dann könnte es für Thornton eng werden: Er hat nämlich auch die – in diesem Fall falschen – Einzelabschlüsse 2007/08 von Immoeast und Immofinanz unterschrieben. Auf diesen Bilanzen (in denen die Immofinanz-Forderung an die Ibag sichtbar ist) fehlt (siehe Faksimile) die Unterschrift von Vorstandschef Karl Petrikovics.

Keine Petrikovics-Unterschrift

Dass Petrikovics nur deshalb nicht unterschrieben hat, weil er nach Eigenangaben nur für seine Vorstandstätigkeit in der CPB (die externer Manager für Immofinanz und Immoeast ist), nicht aber für die beiden Immogesellschaften einen Dienstvertrag hatte, kann nicht sein: Die Konzernbilanzen (in denen das Ringelspiel nicht zu sehen ist) tragen nämlich sehr wohl seine Unterschrift.

Was, wenn seine Angaben stimmen, ein neues rechtliches Problem aufwirft: Petrikovics' Vertrag mit der Constantia Privatbank war nämlich schon im Juni – vor der Erstellung der betreffenden Bilanzen – ausgelaufen. Diese trügen seine Unterschriften also ohne vertragliche Legitimation.

Das trifft übrigens auch auf den vor zwei Tagen zurückgetretenen Ibag-Alleinvorstand Gerhard Pauser zu. Der Exnotar, der nicht wusste, was in seinem Unternehmen vorging, hatte nach Eigenangaben seit vier Jahren keinen Dienstvertrag, weil man damals auf die Verlängerung „vergaß“.

Dem neuen Immofinanz/Immoeast-Chef Thomas Kleibel reicht es jedenfalls: Er will heute, Freitag, der Staatsanwaltschaft eine Sachverhaltsdarstellung übergeben. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2008)

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