Michael Pilz: Am Rand der Wahrnehmung

Michael Pilz, ein großer Einzelgänger des österreichischen Kinos, ist im Filmmuseum zu entdecken.

Am Rand der Wahrnehmung liegen oft die größten Schätze vergraben. Das preziöse Kino von Michael Pilz etwa. Es umfasst bereits an die 100 Arbeiten, wird aber gerade erst in seiner Vollständigkeit entdeckt. Im Österreichischen Filmmuseum wird heute (um 20.15 Uhr) eine Pilz-Schau eröffnet, dabei wird auch ein Buch über den Filmemacher präsentiert.

Vielleicht haben Pilz, dem Bilderpoeten und Renegaten aus dem Waldviertel, die stillen Jahrzehnte auch gutgetan, in denen er kaum gezeigt wurde, nicht anerkannt, nicht einmal bekannt war. Denn im Schatten großer Bewegungen, von denen Pilz eine einläutete – die fünfstündige Dokumentation Himmel und Erde(1979/82) hat den österreichischen Film „neu gemacht“ – blühen die schönsten Blumen: eben dort, wo keiner hinschaut.

Freche Beiträge für den ORF

Pilz begann wie viele: Er experimentierte mit dem Material, zerkratzte und bemalte Filmstreifen. Dass so einer in den 1970ern regelmäßig für den ORF arbeiten konnte, ist ein eigenes Kapitel Mediengeschichte, aus heutiger Sicht eine Utopie. Pilz' Filme laufen in Sendungen wie „Impulse“ oder „Ohne Maulkorb“, viele verwundern noch heute ob ihrer formalen und inhaltlichen Frechheit: Schule und Autorität (1978) diskutiert in 15 Vignetten das Einpassen der Jugend ins kapitalistische Leistungssystem, in L'imagination des yeux (1973) treten Zwerge, Zauberkünstler und Artisten zu Django Reinhardts Musik in einem Wiener Palais auf.

Pilz' Werden als Filmkünstler ist bestimmt vom Streben nach Autonomie: Ab den späten 60ern kämpft er für eine österreichische Filmförderung. Einer der ersten Filme, die davon profitieren, ist Langsamer Sommer (1974/6) von John Cook, mit Pilz-Beteiligung realisiert.

Fast natürlich, dass sich Pilz in den 80ern dem Videoformat zuwendet: Frei von finanziellen und strukturellen Zwängen entfaltet sich sein Schaffen in geduldigen, mehrstündigen Reisefilmen wie Indian Diary – Days at Sree Sankara(2001) und Menschenporträts wie Bridge to Monticello (1999) über Maler Josef Schützenhöfer. Immer wieder blickt Pilz auf älteres Material zurück, überarbeitet es, lotet seinen Zugang neu aus. Seine Filme sind weniger einzelne Prachtstücke, die man hinstellt und bewundert, eher ist sein Werk „Termitenkino“ im Sinne des unlängst verstorbenen US-Kritikers Manny Farber: Es frisst sich durch Grenzen und Hindernisse, lässt nichts zurück außer Spuren seiner Aktivität. Reine Energie. Am Rand der Wahrnehmung. mak

14. bis 30. November im Filmmuseum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2008)

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