Verrauchte Idylle: Die letzten Bastionen der Nikotin-Junkies

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Rauchverbot? An einigen Universitäten herrscht Gesetzlosigkeit – gestraft wird ohnehin nicht.


Auf dem Gang vor der Hauptbibliothek der Universität Wien scheint unter den Rauchern ein einhelliger Konsens darüber zu bestehen, das Rauchverbot als gegenstandslos zu erachten. Hier stehen die letzten Helden und zünden sich, unbeirrt von den mindestens zehn Verbotsschildern, ihre Marlboro, Parisienne oder Lucky Strike an. Zu kalt, zu umständlich oder einfach zu anstrengend – eine von vielen Begründungen, zum Rauchen nicht das Gebäude zu verlassen, erfüllt immer ihren Zweck. Bereits seit 2005 darf man an den Unis nicht mehr rauchen – die Möglichkeit zu strafen wird es aber erst ab 2009 geben.
„Ich bin einfach zu faul, um jedes Mal runterzugehen“, sagt etwa Biologiestudent Johannes Hollmann. An der Uni Wien, wo die Geistes- und Sozialwissenschaften beheimatet sind, hat das Rauchen Tradition. Am Institut für Politikwissenschaft etwa ließen es sich lange Zeit nicht einmal die Vortragenden nehmen, während ihrer Lesungen zur Zigarette zu greifen. Dieser Brauch hat offenbar seine Spuren hinterlassen: Das NIG (Neues Institutsgebäude), das Zuhause von Powi und Co., gilt nach wie vor als eine der Hochburgen der Nichtbeachtung des Rauchverbots. An anderen Unis (WU, TU) hält man sich hingegen weitgehend daran. „Die Uni Wien hat so etwas Widerständiges“, erklärt sich Johanna Urban, 20-jährige Politikwissenschaftsstudentin, dieses Phänomen.
Raucherkammerl nur fürs Personal
Andrea Schmank, Mitarbeiterin der Universitätsbibliothek, hat Verständnis für die rauchenden Studenten. „Natürlich will man bei dem Lernstress einmal eine Entspannungszigarette rauchen“, sagt sie. Die Studenten würden viele Stunden im Lesesaal verbringen, aufgrund der Garderobenpflicht wären sie gezwungen, jedes Mal ihre Jacke zu holen – und das für eine fünf- bis zehnminütige Pause. „Am vernünftigsten“, meint sie, „wäre es, einen Bereich zu schaffen, in dem Rauchen offiziell erlaubt ist.“ Für Studenten gibt es den bis jetzt nicht. Schmank selbst geht ins Raucherkammerl – das ist aber nur dem Personal zugänglich.
„Vor der Bibliothek ist es wirklich schlimm“, klagt Martina Kaburek, Leiterin des Arbeitnehmerschutzes der Abteilung Raum- und Ressourcenmanagement an der Uni Wien. Mit „Anti-Rauch-Tagen“, an denen sich Studierende beim Aufhören unterstützen lassen können, will man „an die Vernunft appellieren“, wie Kaburek erzählt. Denn der erste Jänner naht – und mit ihm eine Gesetzesänderung, mit der es erstmals möglich sein wird, Rauchern, die auf der Uni zur Zigarette greifen, mehr entgegenzuhalten als nur eine folgenlose Ermahnung. Und zwar Strafen in der Höhe von 100 bis 1000 Euro – sofern eine Einzelperson eine Anzeige einbringt. Auch das Rektorat kann mit hohen Summen abgestraft werden, wenn es den Schutz der Nichtraucher nicht sicherstellt.
Im Moment haben die universitären Organe keinerlei Möglichkeit, die Rauchverbote durchzusetzen. Das wissen auch die Studenten: „Sie drohen immer mit Strafen, aber passieren tut dann eh nichts“, gibt sich Johannes Hollmann gelassen.
Und wie geht es dabei den Nichtrauchern? „Mich stört es total“, sagt Karim Wiszniewski. „Es ist dreckig, und man kann sich nicht einmal einen Kaffee holen, ohne nach Rauch zu stinken“, beklagt sich der Jusstudent. Offiziell beschwert hat er sich bis jetzt noch nicht. „Irgendwann werde ich das aber tun“, sagt er. Anzeigen würde er hingegen niemanden. Dafür sei die Universität zuständig. „Man kann doch nicht jeden Studenten zum Polizisten degradieren“, meint er entrüstet.
Den Freigeistern an der Uni Wien steht die juristische Expertise am Juridicum gegenüber – mit dem gleichen Ergebnis: In der Mensa erwartet den Eintretenden eine Rauchwolke. Jusstudent Michael Zwirchmayr hat dafür eine simple Erklärung parat: „Jeder Jurist weiß, dass es keine rechtlichen Sanktionen für das Rauchen an der Uni gibt“, sagt er. Einst gingen hier noch die Securitys auf Patrouille. Mittlerweile hat man aber resigniert: „Die kommen nur noch zum Kaffeeholen“, meint er, „und um ihre Zeitkarten abzustempeln.“
Wissen die Desperados, dass es ihnen ab 2009 ernsthaft an den Kragen gehen soll? „Ja, schon“, sagt Johannes Hollmann, „aber dass sie es wirklich machen, glaube ich ehrlich gesagt nicht.“

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