Deutschland: Vor dem Freitod rettete Merckle sein Imperium

Merckle
Merckle(c) EPA (MATTHIAS HIEKEL)
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30 Banken diktieren die Sanierung: Das hochverschuldete Firmenimperium erhält 400 Mio. an neuen Krediten, Ratiopharm wird verkauft. Sohn Ludwig wird aus der Geschäftsführung gedrängt und muss gehen.

Ulm (APA/gau). Für sich selbst sah er keine Zukunft mehr. Im Schneegestöber auf der Schwäbischen Alb warf sich der Unternehmer und Milliardär Adolf Merckle am Montagabend vor einen Zug. Wenige Stunden vor seinem einsamen Tod sicherte er noch mit seiner Unterschrift die Zukunft seines hochverschuldeten Firmenimperiums. Er vereinbarte mit den 30 Gläubigerbanken eine Stundung der Kredite und erbrachte die Sicherheiten für einen zusätzlichen Überbrückungskredit von 400 Mio. Euro.

Doch damit war auch klar, dass er sein Lebenswerk nicht mehr zusammenhalten konnte. Sein größter Stolz wird nun auf Druck der Banken verkauft: der Generikahersteller Ratiopharm, den Merckle gegründet hatte und der bis heute zu 100 Prozent im Besitz der Familie geblieben ist. Die Banker drängen auch Ludwig Merckle, den ältesten, 44-jährigen, Sohn, der stark in die Verhandlungen eingebunden war, aus der Geschäftsführung der Holding VEM. Damit hätte Vater Merckle vielleicht leben können: Erst im vorigen Frühling hatte er alle Familienmitglieder auf Dauer aus dem operativen Geschäft verbannt; sein zweitältester Sohn Phillip musste als Chef von Ratiopharm gehen.

Womit Merckle nicht mehr leben wollte, war die Schmach. Noch vor einem Jahr galt er als fünftreichster Deutscher, erfolgreicher Unternehmer und Mäzen. 100.000 Arbeitsplätze, 30 Mrd. Umsatz, ein Vermögen von 9,2 Mrd. Euro – das alles hatte er sich aufgebaut.

Doch bald stellte sich heraus, dass Merckle mit dem stark fremdfinanzierten Kauf der Mehrheitsanteile an Heidelberg Cement und der anschließenden Expansion zu hoch gepokert hatte. In der Finanzkrise verloren die Aktien, die er als Sicherheiten eingesetzt hatte, massiv an Wert. Der Versuch, mit Wetten auf einen fallenden Kurs der VW-Aktie das Steuer herumzureißen, scheiterte kläglich. Merckle verlor bis zu einer Milliarde.

Von da an verweigerten die Banken ihm weitere Kredite. Der Vorzeigeunternehmer stand plötzlich als verzweifelter Bittsteller da. Medien und Politiker verhöhnten ihn als gewissenlosen Zocker. Doch trotz aller Kränkungen und Verluste: Merckles Aktiva dürften immer noch die fünf Mrd. Schulden übersteigen, seine vier Kinder werden also nicht leer ausgehen.

Steinig aber wird der Weg der Sanierung des Konzerns durch die Banken. In den nächsten drei Monaten soll ein Gutachten erstellt werden. Auf dessen Basis folgt ein Sanierungsplan für den Zeitraum von eineinhalb Jahren. Doch schon die undurchsichtige Firmenkonstruktion bereitet den Sanierern Kopfzerbrechen. So finden sich in Merckles Firmenkonglomerat eine „Zuckersiederei“, die tatsächlich mit Wertpapieren handelt, und ein „Leder- und Wachstuchwerk“, das Vermögen verwaltet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2009)

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