Wir leben alle auf Lampedusa

Italien versagt bei der Bewältigung der Migrationswelle. Auch deshalb, weil Europa keine gemeinsame Antwort gefunden hat.

Sie kommen und kommen. Sie lassen sich nicht durch Drohungen oder Verbote abhalten. Die illegalen Einwanderer aus Afrika treibt der Kampf ums Überleben nach Europa. Alle bisherigen Maßnahmen – von hohen Zäunen bis zur restriktiveren Einwanderungspolitik – sind fehlgeschlagen. Wenn nun der Ausbruch der Migranten aus dem Flüchtlingslager auf Lampedusa die Unfähigkeit der italienischen Behörden offenlegt, so ist das nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist die Planlosigkeit ganz Europas.

Weil sich die EU-Länder in der Einwanderungspolitik gegenseitig misstrauen, weil es keine Solidarität gibt, sondern meist nur einen seichten ausländerfeindlichen Diskurs, sind bisher alle konstruktiven Ansätze im Sand verlaufen. Europa wird nicht umhinkommen, seine Grenzen gemeinsam besser zu schützen. Es muss aber auch endlich Möglichkeiten schaffen, um Wirtschaftsflüchtlingen zu einer legalen Aufnahme zu verhelfen. Nur so kann die Flut an illegalen Einwanderern eingedämmt, wenn schon nicht zum Versiegen gebracht werden.

Bisher hat Resteuropa meist weggeschaut, wenn ein einzelnes Land von einer Migrationswelle überflutet wurde. Das ist kurzsichtig: Wir alle leben auf Lampedusa, auf einer Insel des Wohlstands. Und der Drang, zu uns zu kommen, wird in Zukunft größer werden, nicht kleiner. Auch deshalb, weil wir selbst mit unserer Handelspolitik und mit Protektionismus die Kluft zu ärmeren Regionen vergrößern. (Bericht: S. 5)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2009)

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