The Porn Identity: Zwischen Kunst und Pornografie

(c) Kunsthalle
  • Drucken

Ausstellung Kunsthalle Wien. Porno scheint heute überall zu lauern: Im Internet, Fernsehen, Film und Werbung, auf Laufstegen, in der Literatur und nicht zuletzt auch in der Kunst.

Auf einem Bett liegend, mit gespreizten, endlos langen glatt-glänzenden Beinen ausgestattet wartet Ed und Nancy Kienholz' Skulptur in einer dunklen Ecke der Wiener Kunsthalle auf den neugierigen Besucher, um sich ihm zum Spiel anzubieten: Anfassen ist in diesem Fall nicht nur erlaubt, sondern auch erwünscht, schließlich ist das ausgestellte Objekt voll funktionsfähig. Auf den wenig erhellenden Namen „The Bronze Pinball Machine with Woman Affixed Also" getauft, entpuppt sich die Skulptur als normaler Flipperautomat, der sich, ausgestattet mit einem entblößten weiblichen Unterkörper, dem herantretenden Benutzer breitbeinig entgegen streckt, um ihn zu einer Partie Pinball zu animieren.

Bei diesem „pornografisierten" Spielautomat handelt es sich um eine der rund 40, nicht immer jugendfreien Video- und Installationsarbeiten im Spannungsfeld zwischen Kunst und Pornografie, die die Kunsthalle Wien ab Freitag in der Gruppenausstellung „The Porn Identity. Expeditionen in die Dunkelzone" präsentiert.

Ausgangspunkt für das Projekt bildet die sich auf zwei Ebenen vollziehende fortschreitende Pornografisierung unserer Gesellschaft: Denn neben einer stetigen Expansion der Porno-Industrie infiltrieren pornografische Anleihen und Bezüge mittlerweile auch die sogenannte Hochkultur. Porno scheint heute überall zu lauern: einen Mausklick entfernt auf verschiedensten Internetseiten, in Fernsehen, Film und Werbung, auf Laufstegen, in der Literatur und nicht zuletzt auch in der Kunst.

Dennoch ist Thomas Edlinger, Kurator der Ausstellung, davon überzeugt, dass die Annahme, Pornografie sei gesellschaftlich durchgesetzt, ein vorschnelles und unhaltbares Urteil sei. Tatsächlich sei der typische Zusammenhang zwischen marktorientierter Veröffentlichung und dem reprivatisierten, intimen Konsum von Pornografie noch nicht gebrochen.

Eine Aufgabe, die Kurator Edlinger gemeinsam mit seinen Kollegen Florian Waldvogel und Angela Stief hiermit in Angriff genommen hat - indem sie die „schamlosen" Bilder kurzerhand in den institutionellen Raum des Museums transferierten. Auf diesem Weg soll die paradoxe Gemütslage einer Gesellschaft analysiert werden, die sich „oversexed and underfucked" zugleich fühlt.

"The Porn Identity" orientiert sich an der ebenfalls von Edlinger und Waldvogel kuratierten Ausstellung „Body politicx", die 2007 im Witte de With Museum in Rotterdam zu sehen war und chronologisch gesellschaftliche Aufbrüche im Umgang mit Sexualität ab den 60er Jahren zeigte. Anders als bei diesem eher dokumentarisch geprägten Vorgängerprojekt, wählten die Kuratoren nun einen gefährlicheren Weg - der irgendwo im Niemandsland zwischen einer Unterwerfung unter das Diktat der pornografischen Bilder und der reinen Kritik daran liegt: Ihr Interesse gilt vor allem der Hinterfragung und gleichzeitigen Verwischung jener Demarkationslinien, die bisher eine Unterscheidung zwischen Kunst und Porno ermöglicht haben.

Unerschrocken und direkt wird in „The Porn Identity" die Frage nach etwaigen Gemeinsamkeiten zwischen Kunst und der visuellen Kultur der Stimulation gestellt. Konfrontiert mit dem in der Populärkultur um sich greifenden Wildwuchs der Pornografie, behandeln die Künstler in ihren Installationen, Skulpturen und Videoarbeiten Themen wie Voyeurismus, Genderkonstruktionen, Fetischismus, Zensur, sowie das Verhältnis von Macht, Blick und Körper im allgemeinen. In „postpornografischen" Gegenbildern zu Sexismus und heterosexuellen Stereotypen, soll sexuelles Begehren und der Umgang damit reflektiert werden.

So handelt es sich bei Katrina Daschners Videoinstallation „Dolores" von 2005 beispielsweise um eine lesbisch umgedeutete Interpretation von „Lolita" nach der literarischen Vorlage von Vladimir Nabokov. Warum „The Porn Identity" erst ab 18 freigegeben ist wird rasch klar, wenn man sich weiter in die Ausstellungsräume hineinwagt: Dort werden auf zahlreichen von der Decke hängenden Bildschirmen Filmarbeiten verschiedenster Künstler präsentiert, die sich teilweise industriellen Pornomaterials bedienen. Die Laufzeit der Filme, mitunter Spielfilmlänge, und die dazugehörigen simultan laufenden Tonspuren machen es allerdings nahezu unmöglich, Zeuge der künstlerischen Höhepunkte dieser Arbeiten zu werden. Einfacher fällt da die Betrachtung der „alten Medien", wie Marcel Duchamps „Bicycle Wheel" oder Liz Moores „Korova Milkbar", die als Requisite in Stanley Kubricks Filmklassiker „A Clockwork Orange" diente. Die von den Kuratoren selbst ergänzte „Rainbow Wall" im letzten Raum spielt mit dem Spannungsverhältnis zwischen klassischer heterosexueller und alternativer homosexueller Pornoproduktion. Nach farblichen Entsprechungen geordnet, flackert hier eine Auswahl von Ausschnitten aus wegweisenden Pornofilmen über die Schirme übereinander angeordneter Fernseher. Wie man sieht ist nicht alles in der Kunsthalle gezeigte also zwingend Kunst und so wird „The Porn Identity" dem Anspruch, die Grenzen zwischen Kunst und Pornografie zu verwischen, durchaus gerecht.

Parallel zur Ausstellung wird das Filmarchiv Austria im April eine Reihe mit dem Titel „Hauptsache Fleisch. Erotisches und Pornografisches im österreichischen Film" zeigen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.