EU-Parlament: Buhrufe für Vaclav Klaus

Vaclav Klaus
Vaclav Klaus (c) Reuters (Francois Lenoir)
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Der tschechische Präsident und Ratsvorsitzende sieht "keine Alternative zur Mitgliedschaft in der EU". Er kritisiert jedoch den Reformvertrag von Lissabon und die EU-Institutionen.

Der tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus hat am Donnerstag im Europaparlament in Brüssel für Aufregung gesorgt. Seine Rede war von zahlreichen Buhrufen, aber auch von Beifall der Abgeordneten begleitet. Klaus zeigte sich erneut EU-kritisch. Zwar betonte er in seiner Rede, dass es auch für sein Land "keine Alternative zur Mitgliedschaft in der EU gibt". Dies sei aber "nur die Hälfte" der Wahrheit. Es müsse erlaubt sein, EU-Institutionen zu kritisieren.

"Zwischen den Bürgern und den Repräsentanten der EU existiert ein Abstand, und das nicht nur im geografischen Sinn, der wesentlich größer ist als innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten", betonte Klaus. Der Reformvertrag von Lissabon würde "diesen Defekt nur vergrößern".

Klaus kritiserte auch das EU-Parlament: "Wie die Entscheidungen hier getroffen werden, unterscheidet sich sehr von einer klassischen parlamentarischen Demokratie. Denn dort gibt es immer eine Opposition. Doch im EU-Parlament gibt es nur eine Alternative. Jeder der anders denkt, wird sofort als Feind der europäischen Integration angesehen".

Viele EU-Abgeordnete reagierten auf diese Aussagen des derzeitigen EU-Ratsvorsitzenden mit Buh-Rufen. Einige verließen demonstrativ den Saal, wie das "Ö1-Mittagsjournal" berichtete.

"Skandalöse Respektlosigkeit der EU-Fanatiker"

Die Liste der Reaktionen reichte von "verächtlich" seitens der Klaus-Kritiker bis zu "skandalöser Respektlosigkeit der EU-Fanatiker" seitens jener, die die Aussagen des tschechischen Staatschefs verteidigten. Die SPÖ-Delegationsleiterin im EU-Parlament, Maria Berger, warf Klaus vor, die Zeichen der Zeit nicht zu verstehen. Nur zu provozieren, ohne einen konstruktiven Beitrag zu leisten, sei zu wenig für ein soziales und stabiles Europa.

Der FPÖ-Europaabgeordente Andreas Mölzer verteidigte Klaus. Es habe sich gezeigt, dass das "EU-Polit-Establishment zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit EU-Kritikern weder fähig noch willens" sei. Gleichzeitig warf Mölzer Klaus einen "antideutschen Reflex" vor, weil dieser den Lissabon-Vertrag nur deshalb ablehne, weil dann die Benes-Dekete entsorgt werden müssten. Mölzer hielt dem ÖVP-Abgeordneten Reinhard Rack vor, den tschechischen Staatspräsidenten als "Oberlehrer beschimpft" zu haben. Dies sei "skandalös". Rack bestritt diese Aussage allerdings.

Die beiden deutschen konservativen EU-Abgeordneten Werner Langen und Markus Ferber konzedierten Klaus zwar, einige Defizite in der EU treffend beschrieben zu haben, doch ziehe er die falschen Schlussfolgerungen. Ihr Fraktionskollege Bernd Posselt sprach von einer "Provinzposse eines begnadeten Selbstdarstellers, der leider nach einem nationalistischen Libretto aus dem 19. Jahrhundert spielt".

Die Grüne EU-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Ulrike Lunacek, wiederum ortete eine "verdrehte und manipulierte Wahrnehmung" der europäischen Wirklichkeit durch Klaus. Weniger dramatisch sieht ihr europäischer Fraktionskollege Daniel Cohn-Bendit die Rede: Er schluf Klaus für den Karnevalsorden vor.

(Ag./Red.)

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