Mit dem Leiter der Agentur für Luft- und Raumfahrt der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, Harald Posch, steht seit Juli ein Österreicher an der Spitze des Rats der Europäischen Weltraumorganisation ESA.
Die Presse: Der Weltraum bietet unendliche Möglichkeiten für die Forschung. Wo spielt Österreich international mit?
Harald Posch: Wir sind Nischen-Player. Wir konzentrieren uns auf bestimmte Bereiche, schaffen dort aber internationale Sichtbarkeit. Die Themen reichen von der Satellitengeodäsie über die Erdbeobachtung bis hin zu den klassischen Weltraumwissenschaften, also der Erforschung von Planeten mit starkem Fokus auf unser Sonnensystem. Wir untersuchen aber auch Exoplaneten, das sind Planeten bei anderen Sonnen.
Und in der Industrie?
Auch dort fokussieren wir: Wir bauen keine ganzen Satelliten, sondern liefern etwa einzelne Teile zu. Neben Ruag, Magna, Siemens oder Andritz sind auch junge, oft sehr kopflastige Firmen dabei, die oft aus den Unis entstehen. Die Themen sind handfest. Es geht etwa um Abschmelzprognosen für die Energieversorgung, damit Speicherkraftwerke ihren Betrieb optimieren können.
Welche Ziele verfolgt Österreich mit seinem starken Engagement im Weltraum?
Wir galoppieren drei Pferden nach. Das erste ist die wissenschaftliche Exzellenz. Zweitens sollen weltraumgestützte Systeme Eingang in unser tägliches Leben finden – von Navigationssystemen im Auto bis zum Management von Skigebieten. Damit die Lifte besser ausgelastet sind und die Leute weniger lang warten müssen. Auch Erdölvorkommen lassen sich aus dem Weltraum abschätzen. Drittens schafft der Weltraumsektor hoch qualifizierte Arbeitsplätze.
Sie haben ja auch eine europäische Position inne. Wie wird Österreich aus dieser Perspektive gesehen?
Klein, aber fein. Dass Österreich erstmals, seit es die ESA gibt, den Ratsvorsitz innehat, ist auch eine Anerkennung als verlässlicher Partner. Wir sind gern gesehener Gast am Tisch der ESA, weil wir Kompetenzen in Projekte einbringen können und so zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit beitragen.
Ist die Kleinheit auch ein Vorteil?
Ja. Es gibt das Gesetz der kleinen Wege. Das ermöglicht, schneller zu sein. Man kennt sich, die Hierarchien sind nicht so groß. Das ist eine wohlorganisierte Gemeinschaft. Es gibt keine Familienstreitigkeiten wie in anderen Bereichen, man zieht an einem Strang. Aber Kleinheit allein genügt auch nicht.
Bei der Rosetta-Mission ist Österreich überdurchschnittlich stark vertreten...
Wissenschaftlich ist das hauptsächlich ein Verdienst aus Graz und wirtschaftlich ist die Ruag stark. Die Ruag war vor allem bei Midas, dem Massenspektrometer, das Staubkörnchen vermisst, aber auch bei der Thermalverkleidung, sozusagen dem „Schlafsack“ für Rosetta, stark involviert. Als Rosetta im Energiesparmodus war, hat man die Sonde thermisch isoliert.
Ist der Vergleich der Mission mit der ersten bemannten Raumfahrt passend oder doch überzogen?
Das passt, denn das hat noch niemand gemacht. Das ist eine Weltpremiere. So nahe waren wir noch nie bei einem Kometen – aktuell sind wir weniger als 30 Kilometer entfernt. Philae ist das erste von Menschen gebaute Instrument, das auf einem Kometen landet. (gral)
ZUR PERSON
Harald Posch leitet seit 2005 die Agentur für Luft- und Raumfahrt der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG. Mit Juli 2014 hat er als erster Österreicher den Vorsitz des Rats der Europäischen Weltraumorganisation ESA übernommen. Damit bestimmt er das europäische Weltraumprogramm entscheidend mit. [ Petra Spiola ]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2014)