Die Fifa-Ethikkommission stellte Verstöße fest, jedoch keine, die eine Neuausschreibung oder -vergabe rechtfertigen würden. Ausgerechnet Chefermittler Garcia kritisiert Fehler und Unvollständigkeiten im Abschlussbericht.
Zürich/Wien. Bei den WM-Vergaben der Fifa an Russland (2018) und Katar (2022) vor knapp vier Jahren gibt es keine Beweise für Korruption. So steht es im 42 Seiten umfassenden Urteil des deutschen Richters Hans Joachim Eckert, das er als Vorsitzender der Fifa-Ethikkommission auf Grundlage der Untersuchungen von Chefermittler Michael Garcia verfasst hat. Aufgrund der wachsenden öffentlichen Kritik hatte die Fifa 2012 den früheren US-Staatsanwalt mit der Aufklärung der Korruptionsvorwürfe beauftragt. Dieser befragte insgesamt 75 Zeugen und sichtete über 200.000 Seiten Material.
Der am Donnerstag veröffentlichte Abschlussbericht konnte keine Gründe feststellen, die eine Neuausschreibung oder -vergabe der beiden Endrunden rechtfertigen würde. Die Ethikrichter orteten zwar praktisch bei allen neun untersuchten Bewerbungen konkrete Verstöße und Verdachtsmomente, die „auf einen Mangel an Transparenz“ hinweisen und einen „negativen Eindruck“ erwecken könnten. Jedoch seien die Vergehen nicht so gravierend, dass sie den Ausgang der umstrittenen WM-Vergabe entscheidend beeinflusst hätten.
Darunter fallen etwa Zahlungen des früheren katarischen Exekutivkomiteemitglieds Mohamed Bin Hammam an hochrangige Funktionäre des afrikanischen Fußballverbands, die jedoch der eigenen Präsidentschaftskandidatur gedient haben sollen. Ebenso verhält es sich mit russischen Verstößen gegen die Meldepflicht von Kontakten zu Fifa-Exekutivmitgliedern. Einzig die Doppelbewerbung der Niederlande mit Belgien hat sich laut Eckert gar nichts zuschulden kommen lassen. „Anzunehmen, dass Umschläge voller Bargeld im Austausch für WM-Stimmen überreicht werden, ist naiv.
Korruption findet auf viel intelligentere Weise statt“, hielt Eckert fest. Auch das Bieterverfahren der Fifa sei zusammenfassend „gut durchdacht, robust und professionell“, wenngleich er einige Reformvorschläge vorbringt. Demnach soll die Amtszeit von Exekutivmitgliedern auf acht Jahre beschränkt werden und diese zudem ausführlicher über ihre Tätigkeiten berichten müssen.
Ausdrücklich freigesprochen von jedem Verdacht der Bestechlichkeit oder irregulärer Einflussnahme wurde Fifa-Präsident Joseph Blatter. „Es muss klargemacht werden, dass er den Ethik-Code nicht verletzt hat.“ Vielmehr habe der Schweizer kritische Reformen eingeführt, einschließlich jener, die diese Untersuchung erst möglich gemacht haben. Umso kurioser mutet es allerdings an, dass sich Blatter dennoch wider die Empfehlung Garcias gegen die komplette Veröffentlichung des Ermittlungsberichts ausgesprochen hat. Die Fifa begrüßte in einer Stellungnahme, „dass der Fall bis zu einem bestimmten Grad abgeschlossen ist“. Man freue sich, die Vorbereitungen für Russland 2018 und Katar 2022 fortzusetzen.
Ein Ende der Diskussionen ist aber weiterhin nicht in Sicht. Während sich der russische Sportminister, Witali Mutko, zufrieden und die Veranstalter in Katar zurückhaltend äußerten, will ausgerechnet Sonderermittler Michael Garcia gegen den Abschlussbericht vorgehen und kündigte einen Einspruch vor der Fifa-Berufungskommission an.
Der frühere FBI-Direktor bemängelte „zahlreiche unvollständige und fehlerhafte Darstellungen der Tatsachen und Schlussfolgerungen im Vergleich zum Bericht der Untersuchungskammer“. (swi)
(APA/dpa)