ÖVP: Länger leben, länger arbeiten

�VP-BUNDESPARTEIVORSTAND: MITTERLEHNER
�VP-BUNDESPARTEIVORSTAND: MITTERLEHNER(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
  • Drucken

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner möchte das Antrittsalter an die Lebenserwartung koppeln. Für die SPÖ ist das eine Provokation. Werner Faymann hat eine solche Automatik schon einmal verhindert.

Wien. Es gibt nicht viele Wörter, die eine ähnliche Wirkung in der SPÖ und besonders in ihrem gewerkschaftlichen Flügel entfalten können. Wer die Sozialdemokraten reizen will, spricht es aus: Pensionsautomatik. Gemeint ist damit, dass das gesetzliche Pensionsantrittsalter an die Lebenserwartung gekoppelt wird. Je älter die Menschen werden, desto länger müssen sie arbeiten.

Für eine solche Pensionsautomatik hat sich am Sonntag ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner ausgesprochen. Auf die Frage in der ORF-„Pressestunde“, wo er denn die größten Kostentreiber in Österreich sehe, nannte der Vizekanzler – neben der Verwaltung – das Pensionssystem. Mittelfristig werde die Regierung hier wohl nachschärfen müssen, meinte Mitterlehner. Und er sei der Meinung, dass es einen gesetzlich verankerten Automatismus brauchen werde. Steigt also die Lebenserwartung, soll auch das Pensionsantrittsalter steigen.

Im Regierungsprogramm ist vorerst nur das Ziel festgeschrieben, das durchschnittliche Pensionsantrittsalter der Österreicher in der gesetzlichen Versicherung (ASVG, Gewerbe und Bauern) bis ins Jahr 2018 auf 60,1Jahre anzuheben. Derzeit liegt es bei 58,5 Jahren. Womöglich werde das nicht ausreichen, meinte der ÖVP-Chef sinngemäß. „Wir freuen uns derzeit schon, wenn das tatsächliche Pensionsantrittsalter um ein Jahr steigt. Aber andere Länder sind uns da um fünf, sechs Jahre voraus.“ Daher werde sich auch Österreich „intensiv“ mit seinen Pensionszahlen auseinandersetzen müssen.

Daneben kann sich Mitterlehner auch vorstellen, das Frauenpensionsalter früher als geplant – zwischen 2024 und 2033 – an jenes der Männer anzugleichen. Also in mehreren Schritten von derzeit 60 auf 65 Jahre. Er habe den Eindruck, dass das tatsächliche Pensionsantrittsalter der Frauen das gesetzliche überhole, so der Vizekanzler. Dass viele Frauen also länger arbeiten, als sie müssten.

SPÖ beharrt auf „Primat der Politik“

Im Sozialministerium war man am Sonntag aber vor allem über Mitterlehners Forderung nach einem gesetzlichen Automatismus irritiert. Das Primat der Politik müsse auch in der Frage des Pensionsantrittsalters aufrechtbleiben, wurde der „Presse“ im Ressort von Rudolf Hundstorfer (SPÖ) erklärt.

Mit demselben Argument wurde die Pensionsautomatik schon einmal verhindert. 2008 waren sich SPÖ und ÖVP eigentlich einig gewesen. Der damalige Sozialminister, Erwin Buchinger (SPÖ), hatte ein entsprechendes Gesetz vorbereitet: Mit der steigenden Lebenserwartung sollte auch das Pensionsalter steigen. Doch dann wurde Alfred Gusenbauer durch Werner Faymann ersetzt. Und der neue SPÖ-Vorsitzende ließ das Vorhaben wieder fallen – nach einer dringlichen Bitte der Wiener Landespartei.

Seither ist es still um die Pensionsautomatik gewesen. Mitterlehners Vorstoß kam auch insofern überraschend, als er Hundstorfers Spiegelminister in der ÖVP ist – und die Regierung bei einigen Pensionsmaßnahmen im Verzug ist. Für das geplante Bonus-Malus-System in den Betrieben, das ältere Arbeitnehmer länger im Job halten soll, hat man den Sozialpartnern mehr Zeit gegeben. Die Teilpension wurde nach hinten verschoben. Und auch das Pensionsmonitoring, bei dem die Entwicklung des Antrittsalters laufend beobachtet wird, sollte längst erfolgen.

Mitterlehner nimmt Wien ins Visier

Beim Thema Steuerreform blieb Mitterlehner am Sonntag defensiv. Er wolle den Verhandlungen, die Ende November beginnen, nicht vorgreifen. Dass Kanzler Werner Faymann zuletzt den Druck auf die ÖVP erhöht und via „Krone“ Vorschläge zur Gegenfinanzierung bis Weihnachten eingefordert hatte, missfiel dem Vizekanzler. Er verstehe schon, in der SPÖ stehe ein Parteitag an. „Aber wir können nicht über die Medien verhandeln.“

Nur so viel: Eine Negativsteuer, also eine Gutschrift für jene, die keine Steuern zahlen, lehnt der ÖVP-Chef ab. Stattdessen sollten die Länder – ergänzend zur Steuerreform – Gebühren senken. Das könnte jedem Bürger „100 Euro mehr in der Geldbörse bringen“. Der Appell richtete sich vor allem an Wien, wo es „enorme Gebührenerhöhungen“ gegeben habe. Und wo 2015 gewählt wird.

AUF EINEN BLICK

ÖVP-Chef Mitterlehner hat am Sonntag vorgeschlagen, das gesetzliche Pensionsantrittsalter an die (steigende) Lebenserwartung zu koppeln. Die SPÖ lehnt eine solche Pensionsautomatik ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Innenpolitik

Mitterlehner: Gebühren in Wien sollten gesenkt werden

Von einer Steuerreform auf Pump hält Mitterlehner nichts. Nach Lux-Leaks tritt er für einen Mindeststeuersatz bei Konzernen anstelle von Bandbreiten ein.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.