Leisten wir unseren Beitrag, senken wir die Steuern – und zwar sofort

Die Staaten haben getan, was sie aktiv tun können. Jetzt gibt es nur noch einen Weg zu echtem Wachstum: die Entlastung der Bürger und der Unternehmen.

Es gab eine Zeit – und die ist langfristig betrachtet noch gar nicht so lang her –, da hatten Ökonomen vor allem eine Aufgabe: den Machthabenden zu sagen, was alles nicht möglich ist – und der Politik die Grenzen des politisch Machbaren aufzuzeigen. Dann kam das 20. Jahrhundert und mit ihm der große ökonomische Streit um die Frage, ob der Staat nicht doch die Wirtschaft bestimmen kann, ob er nicht hie und da eingreifen soll – zumindest in Krisenzeiten.

Und dieser Streit hält im Prinzip bis heute an. Wir haben aber einiges gelernt – auf die harte Tour. Wir haben gelernt, dass die totale Kontrolle des Staates über die Wirtschaft in der totalen Kontrolle über die Menschen und ihr Leben mündet – und unweigerlich in den Zusammenbruch führt (siehe Sowjetunion). Wir haben gelernt, dass ein Mittelweg süße Früchte tragen kann – aber auch zu Bergen an Staatsschulden führt (siehe Österreich). Aber genauso haben wir gelernt, dass die ziellose Deregulierung des Finanzsektors nur solange „Wachstum“ produziert, bis die Blase eben platzt – und dass von einem solchen System vor allem die profitieren, die die Blase zuerst anheizen – und dann rechtzeitig aussteigen (siehe USA).

Und jetzt? Jetzt sind wir verwirrt. Und nichts illustriert diese Verwirrung besser als das schizophrene Endergebnis des G20-Gipfels in Australien. In einer Hommage an die Zeiten der Planwirtschaft einigten sich die Führer der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen auf einen Fünfjahresplan – demzufolge die Weltwirtschaft bis 2018 nicht um ein, nicht um zwei, sondern um ganz genau 2,1 Prozent „angeschoben“ werden soll. Gleichzeitig gestanden sich diese mächtigsten Politiker der Welt ihre eigene Ohnmacht ein und bemühten sich noch nicht einmal, auch konkrete Maßnahmen zu erwähnen – und waren wohl froh darüber, dass die Medien sich auf das Verhalten von Wladimir Putin konzentrierten und die Frage nach dem Wie auch nicht stellten.

Das kann man natürlich auch positiv sehen: Ein G20-Gipfel ist nicht der richtige Ort, um Konjunkturpakete zu schnüren. Einen gemeinsamen Wunschzettel nach genau 2,1 Prozent mehr Wirtschaftswachstum binnen fünf Jahren zu unterschreiben tut niemandem weh – und kostet auch nichts. Die in Brisbane ebenfalls errungenen Fortschritte bei der Regulierung von Großbanken und der Bekämpfung der internationalen Steuerflucht sind auch gratis – und könnten die klammen Staatskassen sogar füllen helfen.

Die Politiker müssen inzwischen auch wissen, dass noch mehr Staatsschulden ohnehin keine Option sind. Sechs Jahre nach der großen Krise können sie weder für kurzfristige konjunkturelle Wunder durch Geldspritzen sorgen noch im großen Stil Banken retten. Egal, ob man dafür oder dagegen war, egal, ob man davon direkt profitiert hat oder nicht: Die Staaten haben getan, was sie aktiv tun können.

Jetzt müssen sie auf der passiven Seite die richtigen Schritte gehen. Und das ist ungleich schwieriger, als einfach Geld auszugeben, um die Wirtschaft „anzuschieben“. Staaten haben ja nur eine Einnahmequelle: ihre Bürger. Jeder Cent an Staatsgeld muss durch die Bürger über Steuern oder Staatsschulden aufgebracht werden. Heißt: Ein Euro, den der Staat investiert, ist ein Euro, den der Bürger nicht mehr hat, um ihn selbst zu investieren.


Die österreichische Regierung plant jetzt angeblich mithilfe der Europäischen Investitionsbank, den Wohnbau anzuregen. Gut so. Aber machen wir uns nichts vor: Auch das Geld der Investitionsbank kommt von den EU-Staaten – und damit von denselben Steuerzahlern, denen es jetzt „zugutekommen“ soll.

Für langfristiges, nachhaltiges Wachstum gibt es nur einen Weg: die Entlastung der Bürger und – ja – auch der lokalen Unternehmen, die diese Bürger bezahlen und Arbeitsplätze schaffen. Und Entlastung heißt in diesem Fall Steuerentlastung – und zwar ohne lange Debatten zur Gegenfinanzierung durch neue Steuern.

Die Rodung des Förderungsdschungels, Einsparungen bei den viel zu hohen Ausgaben des Staates und nicht zuletzt ein nachhaltiges Wachstum können dem Staat das notwendige Geld beschaffen. So können wir in Österreich unseren Beitrag zum 2,1-Prozent-Ziel leisten. Worauf warten wir also?

nikolaus.jilch@diepresse.com

Twitter: @JilNik

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2014)

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