Geschlagener Benjamin Raich: "Da muss ich durch"

Benjamin Raich
Benjamin Raich(c) APA (Barbara Gindl)
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Nach der knappen und unglücklichen Niederlage im Kampf um den Gesamtweltcup war der Pitztaler kurz "leer im Kopf". Als er seine Worte wiederfand, versuchte Raich eine Aufarbeitung.

Die Uhr zeigte 9.00 Uhr und ein paar Sekunden und für Benjamin Raich war der Traum zerplatzt. Mit dem Ausfall im Slalom des Weltcupfinales in Aare am Samstag hatte der Pitztaler den alpinen Ski-Gesamtweltcup an den Norweger Aksel Lund Svindal verloren. Um zwei Punkte. ÖSV-Alpinchef Hans Pum und Cheftrainer Toni Giger starrten im Zielraum fassungslos auf die Videowand. Raich verharrte noch lange auf der Piste. "Das ist schon eine richtige Watschn. Aber da muss ich durch und das werde ich auch schaffen", sagte der 31-Jährige später, als er wieder Worte gefunden hatte.

Raich und Svindal waren an den zwei knappsten Entscheidungen in der Geschichte des Alpinweltcups beteiligt, waren es 2007 auf der Lenzerheide 13 Zähler Vorsprung für den Norweger, so waren es 2009 in Aare nur zwei. "Natürlich ist das bitter, aber es zeigt auch die Stärke, es kommen nicht viele in die Situation, dass sie da mitfahren", sagte dazu Raich. Svindal, der im Slalom ebenfalls nicht das Ziel sah, gewann seine zweite Trophäe mit dem Minusrekord von 1009 Punkten. Sucht man bei Raich nach knappen Entscheidungen und verlorenen Punkten, so braucht man nicht weit zu schauen. Da war zum Beispiel diese eine Hundertstel im Super-G in Aare am Donnerstag, die ihn Platz drei kostete.

"Da muss ich jetzt durch"

"Ich hatte immer immer wieder schwere Momente in meiner Karriere, aber die habe ich schon wieder vergessen. Und das wird auch bei dem Moment passieren. In der Erinnerung bleiben immer die guten. Da muss ich jetzt durch", sagte Raich, der sehr ambitioniert in das Rennen ging, in dem er mindestens 15. werden und vor Svindal bleiben hätte müssen. "Wenn ich Gas gebe, dann geht es am besten, dann bin ich auch am sichersten. Ich war sehr sicher am Weg oben. Ich war schnell, ich war sicher. Ich habe ein gutes Gefühl gehabt, aber ein Einfädler ist schnell passiert", beschrieb er die Situation. Nach dem Ausfall sei er leer im Kopf gewesen, denn auf so etwas sei er nicht eingestellt gewesen.

Und da nützte auch die ganze Punktesucherei nichts. "Nein, weil es zu spät ist, das bringt nichts. Die Vergangenheit kann man nicht mehr ändern. Und außerdem würden andere auch Punkte finden", meinte er. Der Österreicher - Gewinner von 13 Medaillen bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Winterspielen - ist ein Muster an Konstanz und zum sechsten Mal in Folge unter den Top-Drei im Weltcup zu finden, 2006 hatte er den Sieg eingefahren, dazu kamen vier zweite (jetzt dreimal en suite) und ein dritter Rang. So lange auf so einem Toplevel - das hat noch kein Skirennläufer vor ihm geschafft.

"Saison ist kein Wunschkonzert"

"Die Saison ist trotzdem eine gute, natürlich wäre die Kugel die Krönung und ein Wahnsinn gewesen und hätte sie vielleicht zur perfekten Saison gemacht. Aber es ist halt kein Wunschkonzert. Letztendlich muss ich froh sein, ich stehe da und habe bis zum Schluss mitgemischt. Und ich bin gesund, das sind auch nicht alle. Für das muss man auch dankbar sein." Sagt jemand, der es wissen muss, denn Lebensgefährtin und Rennläuferin Marlies Schild hatte die gesamte Saison wegen eines Trümmerbruches im linken Unterschenkel und einer Gewebeverletzungen pausieren müssen.

Da der Heilungsverlauf bei Schild zeitweilig nicht optimal verlief, ist es für den Tiroler nicht immer einfach gewesen, sich auf das Rennfahren zu konzentrieren. "Er hat es sicher nicht leicht gehabt heuer", sagte auch Giger, und meinte damit zum Beispiel das Kitzbühel-Wochenende, als Raich im Slalom ausschied und damit nach der sehr guten Abfahrt (Platz zwölf) auch wertvolle Kombinationspunkte im Schnee begrub. Am Freitag der Hahnenkammbewerbe war Schild erneut operiert worden.

Pum tat es "für den Sportler leid, für die ganze Truppe und den Skisport". Wenn so abgerechnet werde, sei alles umso härter. "Wenn er die Hundertstel im Super-G vorne ist, dann fährt er ganz anders, denn dann muss der andere attackieren und nicht er", sagte der Alpinchef, der Raich auch durch die vordere Startnummer nicht begünstigt sah, da es sehr schmierig gewesen sei. Die Ausgangsposition sei jedenfalls "für einen Sportler wahrscheinlich das Härteste", so Pum, der auf die Beständigkeit, mit der sich sein Vorzeigeathlet in der Weltspitze behauptet, hinwies. "Das zeigt, wie stark er ist. Und ich bin überzeugt, dass das Glück wieder auf seiner Seite sein wird."

Wie Raich hatte auch Giger von keiner leichten Ausgangsposition vor dem finalen Rennen gesprochen. "Das hat leichter ausgeschaut, als es eigentlich ist, da zwei Punkte holen. Es bekommen nur die ersten 15 Punkte, da muss man ganz schön Gas geben, dass man die holt. Benni hat alles probiert, es hat halt nicht funktioniert. Nur mit Runterfahren bist nicht mehr dabei. Es ist nicht so, dass er sinnlos riskiert hat, es ist ein extrem griffiger, schnittiger Schnee, da passiert das irrsinnig schnell", erläuterte Giger, der anfügte. "Wenn es um die Entscheidung geht, glaubt man immer, die letzten Rennen sind schuld dran. Letztendlich gibt es die Kugel für die Leistungen während der ganzen Saison."

Der Weltcup ist mit knapp über 1000 Punkten gewonnen worden, da könne man jetzt viele Rennen raussuchen, wo man sagen könne, da wäre mehr drinnen gewesen oder etwas mehr Glück gebraucht worden. "Aber man schaut immer bei dem, der es gerade nicht schafft", weiß Giger. Raich, stets als fairer Sportsmann bekannt, gratulierte Svindal zum Gesamtweltcup.

Raich wird voraussichtlich auch in der kommenden Saison wieder alle Bewerbe bestreiten und möglicherweise hin und wieder eine Abfahrt auslassen. "Wir müssen die Saison analysieren und schauen, wo wir kleine Korrekturen machen und auch noch Verbesserungen rausholen können. Und dann wird es eine Strategie für Benni geben, wobei ich denke, dass sie sicher ähnlich ausschauen wird wie heuer. Ich glaube, an dem ist es nicht gelegen", ist Giger überzeugt.

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