Kirchenkrise? „Ist den Jugendlichen wurscht“

Junge Menschen, die religiös leben, werden von Gleichaltrigen „schief angeschaut“, so Theologin Regina Polak.

Wien (som). Die Krise in der katholischen Kirche? Die sei ihr persönlich eigentlich eher „egal“, sagt die 21-jährige Raphaela Pauls. Damit dürfte die junge Frau der Mehrheit der österreichischen Jugendlichen aus der Seele sprechen. Die Debatten rund um die Ernennung von Gerhard Wagner zum Linzer Weihbischof – ein Aufreger für Jugendliche? Die Ereignisse rund um Pius-Bruderschaft – hitzige Diskussionen im Klassenzimmer?

Mitnichten, meint Regina Polak vom Institut für Praktische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. „Diejenigen, die keinen lebenspraktischen Bezug zur Kirche haben“, mittlerweile die Mehrheit der jungen Menschen, würden die Kirchen-internen Auseinandersetzungen nicht persönlich betreffen. „Die finden das höchstens skurril. Denen ist das – salopp gesagt – wurscht.“

Anders geht es denjenigen, die sich in der Kirche engagieren: Für diese Gruppe sei der aktuelle Kirchenstreit „hochgradig schwierig“. Viele überzeugte junge Christen hätten mit dem Gedanken an einen Kirchenaustritt gespielt – und einige das tatsächlich in die Tat umgesetzt.

Unpopularität „hausgemacht“

Kirchliches Engagement ist heute kein Mainstream mehr: „Wenn ein junger Mensch ein kirchlich gebundenes Leben führt, ist er legitimationspflichtig“, sagt die Pastoraltheologin. Von Gleichaltrigen würden junge Gläubige „schief angeschaut“.

Von den Österreichern unter 30 Jahren bezeichnen sich 58 Prozent als religiös (bei der Gesamtbevölkerung sind es immerhin noch 72 Prozent), fünf Prozent als hoch religiös (Gesamtbevölkerung: 20 Prozent). Laut der Jugendwertestudie 2006/07 besuchen sieben Prozent der 16- bis 24-Jährigen wöchentlich den Gottesdienst, zehn Prozent der jungen Menschen beten oft.

Wobei die geringere Teilnahme von Jugendlichen an der Institution Kirche nicht nur negativ zu bewerten sei. Vielmehr sei dies (auch) ein Ausdruck von „Normalisierung“: Die soziale Bedeutung der Kirche hat in den letzten Jahrzehnten abgenommen – ein Prozess der „religiösen Pluralisierung“, der auch stattfinden würde, „wenn die Kirche alles völlig zeitgemäß und perfekt machen würde“. Außerdem gebe es heutzutage eine Vielzahl an Freizeitangeboten. Früher ging man, ohne viel nachzudenken, eben in die Pfarre.

Die Unpopularität der Kirche sei aber auch „hausgemacht“ – Stichwort frühere Bischofsernennungen. Nun müsse man erst mit der neuen Situation umzugehen lernen. Polak: „Man war gewöhnt, dass die Leute zu uns kommen.“ Die Kirche müsse nun umdenken: „Hinausgehen und zuhören, um die Lebenswelt der jungen Menschen verstehen zu lernen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2009)

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