Der Nikolaus stellt keine Fragen

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Den Nikolaus gibt es heute immer öfter ohne Bart, manchmal ist er auch weiblich. Sein früherer Begleiter, der Krampus, hat in Kindergärten keinen Platz mehr.

Weißer Rauschebart, tiefe Stimme, Mitra und Bischofsstab: So tritt seit Generationen am 6. Dezember der Nikolaus auf – privat, in Kindergärten, Schulen, Büros oder auch auf öffentlichen Plätzen. Laut einer jüngst veröffentlichten Auswertung von Google Trends ist der Nikolo in Österreich sogar beliebter als Weihnachtsmann, Christkind und Osterhase.

Das alte Brauchtum wird zwar weiterhin eifrig gepflegt, es beginnt sich jedoch auch zu ändern, und es gibt vor allem ein Ost-West-Gefälle – oder besser, ein Stadt-Land-Gefälle. Beispiel Wien: Da tritt zwar in fast allen Kindergärten ein Nikolaus auf. Doch seit 2006, unter der damaligen Vizebürgermeisterin, Grete Laska (SPÖ), gibt es die Regel, dass keine hausfremden Nikolos kommen dürfen. Aber ob Pädagogen sich verkleiden oder Eltern auftreten ist heute egal. Manchmal verkleiden sich auch Kinder selbst.

Wichtig sei, dass keine Angst erzeugt wird, heißt es im Büro von Jugendstadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ). Das Miteinander, das Teilen soll im Vordergrund stehen. Auch Floskeln wie „wenn du nicht brav bist“ verschwinden. Und ein Krampus kommt natürlich nicht vor. Aber sonst obliege es den Kindergärten, wie das zu gestalten ist.

So weit die städtischen Kindergärten. Bei den privaten läuft es ähnlich. Bei den Einrichtungen der Erzdiözese Wien, den St.-Nikolaus-Kindergärten, gibt es die Regel, dass der Nikolaus auch von auswärts kommen kann, aber den Kindern bekannt sein muss, etwa der Pfarrer oder der Pastoralassistent, und vor allem keine Angst verbreiten darf. Interessant das Experiment der Katholischen Jungschar: Sie bietet in ganz Österreich Schulungen an, wie der Nikolaus darzustellen ist. Und die Jungschar verpasst dem Nikolaus auch ein zeitgemäßes Image: Er soll keinen Bart haben, damit das freundliche Gesicht besser zu sehen ist – und erstmals stellen auch Frauen den Nikolaus dar. Die Jungschar mahnt, den Nikolaus nicht als „Erziehungshelfer“ zu missbrauchen: Ein Nikolaus, der vor der Gruppe ermahnt und Kinder beschämt, ein Angst machender Krampus, das Androhen von Schlägen oder ein „Sündenregister“ hätten in der Arbeit mit Kindern keinen Platz.

Manchmal geht er ungesehen

Nikolausauftritte gibt es jedenfalls auch in vielen Wiener Volksschulen. Das obliege den Schulen, heißt es im Stadtschulrat. In Schulen können auch Krampusse teilnehmen. Da heuer der Tag, an dem des heiligen Bischofs Nikolaus von Myra gedacht wird, auf einen Samstag fällt, wird schon am 5. gefeiert.

Trotz des Termins am „Kramperltag“ und der heutigen Krampus- und Perchten-Umzüge in vielen Landgemeinden, in den Kindergärten auf dem Land hat der Krampus keinen Platz mehr, das berichten die Zuständigen unisono aus den Bundesländern. „Es gibt eine klare Ausrichtung auf den Nikolaus“, sagt etwa Marion Gabler-Söllner vom Land Niederösterreich. Wie die Feier gestaltet wird obliege den Pädagogen: ob sie selbst sich verkleiden, ein Vater oder jemand aus dem Ort ins Kostüm schlüpft. Oder ob sich der Nikolaus bei einer Gruppe Zweieinhalbjähriger erst vor den Kindern verkleidet, um sie nicht zu schrecken. Bei sehr ängstlichen Kindern kommt es auch vor, dass der Nikolo nur Sackerln vor die Tür stellt. Jedenfalls wird der Nikolaus sehr positiv dargestellt. Dass die Kinder einzeln gefragt werden, ob sie brav waren, oder aufzählen müssen, was sie in diesem Jahr angestellt haben, wie das vor 25 Jahren noch üblich war, das habe längst keinen Platz mehr, so Gabler-Söllner. Vielmehr gehe es darum, Werte zu vermitteln: teilen, schenken, darum, Freude mit kleinen Dingen, mit Nüssen und Mandarinen zu haben.

Ähnlich verlaufen Nikolausfeste heute in Kärnten: Der Nikolo kommt, erzählt Geschichten, Kinder singen vor, sagen Gedichte auf, zeigen Basteleien, werden einzeln aufgerufen, gelobt und bekommen ihr Sackerl, erzählt Landes-Kindergarteninspektorin Iris Raunig. Der Krampus kommt nicht vor, auch in der Steiermark ist er im Kindergarten nicht erlaubt. Der Nikolo-Besuch ist dort aber, genauso wie in Tirol und Vorarlberg, ein Fixpunkt. Zumeist basteln die Kinder im Vorfeld ihre eigenen Verpackungen, die dann mit Wünschen „verschickt“ werden – der Nikolaus füllt sie mit Geschenken und bringt sie zurück.

Interkulturelle Erklärung

Einwände von Eltern gegen die Nikolofeiern gebe es in den Ländern kaum. „Man kann dem vorgreifen, indem die Feier der Gruppe angepasst wird“, erzählt Gabler-Söllner aus Niederösterreich. „In Kindergärten mit einem hohen Anteil von Kindern mit ausländischen Wurzeln etwa, in denen der interkulturelle Hintergrund hervorgehoben wird – dass der Hl. Nikolaus aus Myra in der heutigen Türkei stammt, zum Beispiel.“ (gb/kb/cim)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2014)

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