Börsensteuer entzweit die EU: Start dürfte sich weiter verschieben

BELGIUM EU FINANCE MINISTERS MEETING
BELGIUM EU FINANCE MINISTERS MEETING(c) APA/EPA/OLIVIER HOSLET (OLIVIER HOSLET)
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Die Finanztransaktionssteuer, die elf EU-Mitglieder (darunter Österreich) einführen wollen, dürfte es erst nach 2016 geben – wenn überhaupt.

Brüssel. Die Finanztransaktionssteuer lässt weiter auf sich warten. Ursprünglich hätte die Abgabe von elf EU-Mitgliedern am 1. Jänner 2015 eingeführt werden sollen. Aufgrund technisch-politischer Schwierigkeiten wurde der ursprüngliche Starttermin bereits auf 2016 verschoben – doch die am heutigen Dienstag in Brüssel tagenden Finanzminister der EU dürften aller Voraussicht nach zu der Erkenntnis gelangen, dass auch der spätere Termin unrealistisch sei. Das selbst gesteckte Ziel einer politischen Einigung über die Modalitäten der Transaktionssteuer sei nicht haltbar, hieß es am gestrigen Montag im Vorfeld des Treffens. In der gestern in Brüssel zirkulierenden Letztfassung der heutigen Tagesordnung des Finanzministertreffens war lediglich von einer Erörterung des „State of play“ (also eine Lagebeurteilung) die Rede.

Die Finanztransaktionssteuer (FTT) soll im Rahmen einer sogenannten Verstärkten Zusammenarbeit eingeführt werden. Dieses Instrument ermöglicht es den EU-Mitgliedern, gemeinsam Maßnahmen zu setzen, an denen sich der Rest der Union nicht beteiligen muss. Bei FTT sind derzeit elf EU-Mitglieder dabei – neben Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien ist auch Österreich mit an Bord. Das Problem ist allerdings, dass man sich über den Umfang der Steuer nicht einig ist. Gestern Abend sollten die elf EU-Staaten über ihre Differenzen diskutieren.

Von 0,1 bis 0,01 Prozent

Der ursprüngliche, von der EU-Kommission im Vorjahr ausgearbeitete Entwurf hatte vorgesehen, dass die teilnehmenden Unionsmitglieder Aktien und Anleihen mit 0,1 Prozent ihres Werts besteuern und bei Derivaten (Finanzinstrumente, deren Wert von der Preisentwicklung anderer Wertpapiere oder Indizes abhängt) eine Abgabe von 0,01 Prozent anfällt. Dieses Modell hätte ein Steueraufkommen von 30 bis 35 Mrd. Euro generieren sollen, war aber nicht unumstritten – unter anderem, weil es Finanzmärkte wie London, die nicht an FTT teilnehmen wollen, an denen aber EU-Wertpapiere gehandelt werden, zum Eintreiben der Steuer verpflichtet hätte. Anfang November legte Paris einen Gegenentwurf vor, der in Rom und Madrid Anklang fand und dem zufolge Derivate von der Steuer ausgenommen sein sollen, die Abgabe stattdessen aber bei sogenannten „Credit Default Swaps“ (das sind Finanzinstrumente, die als Versicherung gegen das Risiko eines faulen Kredits dienen) anfallen soll. Der Vorschlag kam in Österreich nicht besonders gut an – für eine „Feigenblattsteuer“ sei man nicht zu haben, hieß es aus dem Wiener Finanzministerium. Grund: Sollte das französische Modell eingeführt werden, würde das für Österreich Steuereinnahmen in der Größenordnung von 70 Mio. Euro bedeuten – bei der ursprünglichen Variante wären es 500 Mio. Euro. Der Gegenvorschlag des österreichischen Finanzministers Hans Jörg Schelling: Der Umfang der Steuer wird beibehalten, die Steuersätze im Gegenzug reduziert.

Vieles hängt nun davon ab, welche Position Deutschland einnehmen wird. Grundsätzlich ist Berlin kein Freund lückenhafter Vorschriften – das Problem ist nur, dass FTT für Bundeskanzlerin Angela Merkel nur eine Nebenbaustelle ist. Deutschland hat nämlich momentan große Mühe, Frankreich und Italien dazu zu bringen, ihre Haushalte zu sanieren. Brüssel hat die Entscheidung, ob die französischen und italienischen Budgetentwürfe für 2015 regelkonform sind, auf den März verschoben und von beiden Ländern tiefere Einschnitte gefordert. Vor allem Frankreich, das nach ursprünglichen Zusagen nächstes Jahr ein Defizit von drei Prozent des BIPs erreichen sollte, ist in der Pflicht. Merkel, die in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ Paris und Rom zu größeren Sparanstrengungen aufgerufen hatte, dürfte ihr politisches Kapital wohl kaum für den Kampf um die Transaktionssteuer einsetzen. (la)

ÖSTERREICH SOLL SPAREN

Nicht nur von Frankreich und Italien hat die EU-Kommission mehr Sparanstrengungen eingefordert – auch Österreich wurde neben Malta, Portugal und Spanien in die Pflicht genommen. Konkret wünschte sich die Brüsseler Behörde, dass Wien 2015 ein strukturelles (also um den Schuldendienst bereinigtes) Nulldefizit im Haushalt erreicht. Österreich peilt dies erst für 2016 an, bot aber im Gegenzug an, das strukturelle Defizit von den ursprünglich im Budgetentwurf 2016 vorgesehenen 1,0 Prozent auf 0,7 Prozent zu verringern. Brüssel werde sich mit diesem Zeichen des guten Willens zufriedengeben, hieß es gestern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2014)

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