HCB-Skandal in Kärnten: Tests für Bevölkerung

Großer Andrang bei einer Informationsveranstaltung vergangene Woche
Großer Andrang bei einer Informationsveranstaltung vergangene Woche (c) APA/GERT EGGENBERGER
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Freiwillige Blutanalysen für Bewohner des Görtschitztales starten Dienstag. Greenpeace rät zu Teilnahme: „Einzige Möglichkeit“, tatsächliches Ausmaß festzustellen.

Klagenfurt. Die Gesundheits- und Umweltbehörden in Kärnten wollen es nun doch etwas genauer wissen: Ab heute, Dienstag, können sich die Bürger des vom HCB-Skandal betroffenen Görtschitztales freiwilligen Bluttests unterziehen. Stillende Mütter und Kinder sollen dabei zeitlich bevorzugt werden. Grundsätzlich gilt die Möglichkeit jedoch für alle Bewohner der Region.

Der Plan ist, die abgegebenen Blutproben anonymisiert von einem Labor der Medizinischen Universität Wien analysieren zu lassen. Bei positiven Befunden stehen anschließend Experten für Beratungsgespräche bereit. In der Kärntner Landessanitätsdirektion hält man es durchaus für möglich, dass bestimmte Proben positiv ausfallen werden. Das hat auch damit zu tun, dass das Umweltgift Hexachlorbenzol nur schlecht vom Körper abgebaut wird und damit lange Zeit nachweisbar bleibt. Derzeit geht das Land noch davon aus, dass man keine bedenklichen Werte messen werde.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace rät der Bevölkerung, an den Untersuchungen teilzunehmen. Die NGO hatte am Freitag erstmals nachgewiesen, dass mit HCB verunreinigte Milch in den Handel gekommen war. Greenpeace-Chemiker Herwig Schuster sagt nun: „Bluttests sind nach derzeitigem Wissensstand die einzige Möglichkeit, Anhaltspunkte zum Umfang der HCB-Emissionen zu erlangen. Für die Bevölkerung ist das ein wichtiger Schritt, mehr Klarheit über die Auswirkungen des Umweltskandals zu erhalten.“ Bisher wurde das Umweltgift in Tierfutter, Rindern, Schweinen, Rotwild und Milch nachgewiesen.

Ob es tatsächlich zu gesundheitlichen Auswirkungen und Spätfolgen kommt, wird auch davon abhängen, wie lange die Bevölkerung schon der Belastung ausgesetzt ist. Bisher hieß es, dass der Schadstoff erstmals im Frühling 2014 in einem Milchprodukt nachgewiesen wurde. Seit dem Wochenende weiß man, dass das Tierfutter bereits im Jahr 2013 mit HCB kontaminiert worden sein muss.

Krisensitzung in Kärnten

Kärntens Landesregierung traf sich am Montag zu einer weiteren Krisensitzung. Anschließend wurden die Bürgermeister aus der Region informiert. Landeshauptmann Peter Kaiser kündigte zudem an, nach Kritik am Kärntner Krisenmanagement die zuständigen Ministerien in Wien umgehend über die Lage zu informieren. Zudem wurden Details über die Kosten für die Aufarbeitung bekannt. Das Amt der Landesregierung gab allein für Proben über eine Million Euro aus. (red.)

Die Quelle für das Hexachlorbenzol im Görtschitztal ist eine alte Blaukalk-deponie der Donau Chemie in Brückl. Seit 2012 verwerten die nahe gelegenen Wietersdorfer Zementwerke den Blaukalk zu Baustoff – mit behördlicher Genehmigung. Derzeit wird vermutet, dass im Zuge des Brennprozesses im Werk etwas schiefgelaufen sein muss und so HCB in die Umwelt kam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2014)

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