Nahost: Minister stirbt bei Demo gegen Israel

(c) Reuters (MOHAMAD TOROKMAN)
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Der palästinensische Minister Ziad Abu Ein kommt während einer Kundgebung bei Rangeleien mit israelischen Soldaten ums Leben. Die Palästinenser werfen Israels Armee Mord vor.

Jerusalem. Ein Video zeigt, wie Ziad Abu Ein zusammensackt, wie er immer wieder das Bewusstsein verliert. Wunden oder Blut sind auf dem Video nicht zu sehen. Dann wird der palästinensische Minister ins Krankenhaus abtransportiert. Auf dem Weg dorthin verstirbt er. Ziad Abu Ein von der palästinensischen Fatah, der Partei von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas, war Minister für Siedlungsangelegenheiten. Er nahm am Mittwoch bei Protesten im Dorf Turmusaja, südlich der Stadt Nablus, teil. Dabei kam es zu Rangeleien zwischen Demonstranten und der israelischen Armee.

Augenzeugen berichten, ein Soldat habe Abu Ein mit dem Gewehrkolben in die Brust geschlagen. Zuvor hatten die Sicherheitskräfte mit Tränengaskanistern versucht, die Demonstranten auseinanderzutreiben. Die israelische Zeitung „Haaretz“ berichtete unter Berufung auf die Familie des Toten, Abu Ein habe an Diabetes gelitten und einen hohen Blutdruck gehabt. Israels Armee kündigte eine Untersuchung des Vorfalls an. Beide Seiten einigten sich darauf, dass ein israelischer und jordanische Pathologen der Autopsie des getöteten Ministers beiwohnen.

Ende der Kooperation?

Israel werde „für den Mord an dem Minister bezahlen“, drohte der frühere palästinensische Außenminister Riad al-Maliki. Der nationale Sicherheitsberater in Ramallah, Jibril Rajoub, forderte eine umgehende Beendigung der Sicherheitskooperation zwischen den Palästinensern und Israel. Ein Aufkündigen dieser Zusammenarbeit könnte fatale Folgen für die Sicherheitslage in den Palästinensergebieten und in Israel haben.

Israels Armee und die Polizei der Palästinensischen Autonomiebehörde einigten sich vor gut sieben Jahren auf die Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terror. Die Fatah-Führung in Ramallah entschied sich für die Zusammenarbeit mit Israel, nachdem die islamistische Hamas im Gazastreifen im Sommer 2007 den blutigen Kampf um die Vormachtstellung dort für sich entschieden hatte.

Anlass für die gestrigen Demonstrationen Dutzender Palästinenser, an der auch Aktivisten aus Israel und dem Ausland teilnahmen, war der internationale Menschenrechtstag. Geplant war die Pflanzung von Olivenbäumen auf einem Landstück, das offenbar von israelischen Siedlern aus dem sogenannten Vorposten Adi Ad in Beschlag genommen werden sollte. 25 überwiegend jüdisch-orthodoxe Familien leben derzeit in der auch nach israelischem Recht illegalen Siedlung. Laut Homepage des Vorpostens bauen die Israelis Früchte, Gemüse und Blumen an, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Immer wieder kommt es im nördlichen Westjordanland zu Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Siedlern. Einige Dutzend Siedler hatten sich am Dienstag Abend an der Einfahrt eines Nachbardorfes von Turmusaja versammelt, um gegen den Diebstahl eines Pferdes zu protestieren. Andererseits beschweren sich die Palästinenser darüber, dass ihre Autos von den Siedlern mit Steinen beworfen und ihre Olivenbäume beschädigt werden. Erst vor zwei Wochen hatte Minister Abu Ein das von Siedlern beschmierte Haus einer palästinensischen Familie in Turmusijah besucht, genau dort, wo gestern die Demonstration stattfand. „Tod den Arabern“, stand auf der Wand.

„Das war ein barbarischer Akt“

Ungeachtet der Tatsache, dass die Untersuchungsergebnisse noch ausständig sind, schien für die Palästinenser schon gestern festzustehen, dass es sich beim Tod von Abu Ein um einen Mord handelte. „Unser Bruder Siad ist ermordet worden“, kommentierte Saeb Erikat, Chefunterhändler bei den Friedensverhandlungen. Er appellierte an die internationale Gemeinschaft, die Palästinenser „vor den Verbrechen einer israelischen Regierung voller Siedler und Extremisten“ zu beschützen. Palästinenserpräsident Abbas rief drei Tage nationaler Trauer aus und sprach von einem „barbarischen Akt“.

AUF EINEN BLICK

Ziad Abu Ein, Minister für Siedlungsangelegenheiten und führendes Mitglied der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas, verstarb gestern, Mittwoch, nach Zusammenstößen mit israelischen Soldaten bei einer Kundgebung. Die israelischen Sicherheitskräfte hatten Tränengas eingesetzt, um die Demonstranten zu zerstreuen. Es kam zu Rangeleien mit den Protestierenden. Laut Augenzeugen soll ein Soldat Abu Ein mit dem Gewehrkolben in die Brust geschlagen haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2014)

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