Vergangenheitsbewältigung ohne Rücksicht auf Verluste

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Aktienrechtswidrig? Der laut Griss-Bericht beispiellose Auftrag des Bundes an die Hypo, die eigene Vergangenheit aufzuarbeiten, erscheint mit dem Aktienrecht unvereinbar.

Die Hypo-Untersuchungskommission stellt eindeutig fest, dass Umfang, Art und Weise der Aufarbeitung der Vergangenheit mit dem weitaus wichtigeren Ziel unvereinbar war, die Hypo Alpe Adria Bank International AG (HBInt) als lebendes Unternehmen fortzuführen, zu sanieren und wieder zu privatisieren. Nach dem Bericht war es offenkundig, dass die Aufarbeitung der Vergangenheit sich „in mehrfacher Hinsicht katastrophal auswirken musste“.

Die Kommission spricht von einem Vorgehen der Verantwortlichen ohne Beispiel, von einer auch international einmaligen Einmischung staatlicher Beamter (der Finanzprokuratur) in die Geschäftsführung einer Bank, von persönlicher Druckausübung gegen Organmitglieder und Mitarbeiter der Bank, von einer Aufarbeitung der Vergangenheit, die zum Selbstzweck wurde, und davon, dass diese Aufarbeitung der Vergangenheit, die wirtschaftliche Erwägungen ausklammerte, nur Einzelinteressen diente, die Bank aber geschädigt und die finanzielle Belastung des Bundes weiter erhöht hat.

Diametral zu dem mit überschaubaren Kosten in kurzer Zeit erstellten Griss-Bericht steht das Ergebnis der „Vergangenheitsaufarbeitung“ durch einen „Beauftragten Koordinator“. Er hat unter Beiziehung der Anwaltskanzlei, aus der er kam (und in die er wieder zurückkehrte), sowie weiterer von ihm vorgeschlagener Anwalts- und Sachverständigenkanzleien bis Mitte 2014 gewerkt, ohne einen schriftlichen Tätigkeitsbericht verfassen zu müssen. Der Griss-Bericht beziffert allein die Kosten externer Berater für die Aufarbeitung der Vergangenheit von 2010 bis 2013 mit über 62 Mio. Euro.

Weder das Aktien- noch das Bankrecht kennt die Einrichtung eines „Beauftragten Koordinators“. Trotzdem hat der Bund als Alleinaktionär in der Hauptversammlung der HBInt am 29. Mai 2012 die Satzung dahingehend ergänzt, dass die Aufarbeitung der Vergangenheit uneingeschränkt zum Ziel der Bank erklärt wurde.

Nach dem Bericht ist es einmalig, dass eine lebende, fortzuführende Bank die Aufarbeitung der Vergangenheit per Satzung zum Unternehmenszweck erklärt. Damit sollte die unhaltbar gewordene Situation durch die Auseinandersetzungen zwischen Bankorganen und Finanzprokuratur bereinigt werden, doch sie dehnte die Aufarbeitung noch weiter aus. Die der HBInt aufgehalsten Kosten explodierten weiter.

Kosten-Nutzen-Analyse egal

Der Aufsichtsrat vertrat die völlig korrekte Meinung, dass bei der Aufarbeitung auch an eine angemessene Kosten-Nutzen-Relation zu denken sei. Nach dem Bericht entgegnete der „Beauftragte Koordinator“ in März 2013, dass er den Auftrag des Eigentürmers erfülle, der sowohl in der Satzung der HBInt als auch in der Geschäftsordnung des „Baufragten Koordinators“ verankert sei, und dass der Vorstand „jenseits aller kommerziellen Kriterien verpflichtet [ist], die Aufarbeitung der Vergangenheit durchzuführen“.
Das belegt eindeutig, wie der Alleinaktionär Bund und der den Auftrag des Eigentümers erfüllende Koordinator sich aktienrechtswidrig und zum Schaden der HBInt in die Geschäftsführung des Vorstandes eingemischt haben.

Das Aktienrecht erlaubt keine Weisungen an den Vorstand (so jüngst wieder der OGH, 6 Ob 77/ 14p), vielmehr führt der Vorstand die Geschäfte unabhängig und in eigener Verantwortung. Auch ein Beschluss der Hauptversammlung kann an diesem aktienrechtlichen Grundprinzip nichts ändern, und gegenteilige Satzungsbestimmungen sind unzulässig. Das muss auch für einen Beschluss auf Satzungsänderung gelten, der als Grundlage für eine Einmischung in die Geschäftsführung des Vorstandes gedacht ist. Der OGH hat in der Libro-Entscheidung vom 30. Jänner 2014 (12 Os 117/12s) klar ausgesprochen, dass eine Überschreitung von der Hauptversammlung aktienrechtlich vorgegebenen Grenzen auch unter dem Aspekt des Untreuetatbestands unzulässig ist.

Eine Satzungsänderung wie hier könnte durchaus als unzulässige Kompetenzüberschreitung der Hauptversammlung gesehen werden. Nur zum Vergleich: Hätte die Satzung der Libro eine Bestimmung enthalten, Ziel der Gesellschaft sei die höchstmögliche Dividendenausschüttung an die Aktionäre, wäre dann dort keine Untreue vorgelegen?

Es liegt eben nicht im freien Ermessen der Aktionäre, auch nicht eines Alleinaktionärs, auch nicht des Bundes als Alleinaktionär und auch nicht der für den Bund handelnden Verantwortlichen, dass zwingende Aktienrecht für Einzelinteressen zurechtzubiegen.
(Liane Hirschbrich)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2014)

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