Kabarett: Groebner allein gegen die Wirklichkeit

Severin Groebner
Severin Groebner(c) FABRY Clemens
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Severin Groebner, Wiener und Wahldeutscher, spielt „Vom kleinen Mann, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf g'schissen hat“. Blöder Titel, gutes Programm.

„Aal ist so, wie das Leben sein sollte: fett.“ Genau, aber bevor Severin Groebner in der Rolle einer verblühten Unternehmergattin seinem Publikum im Kabarett Niedermair eine Lebensbeichte und ein paar Promille um die Ohren bläst, verschluckt er sich noch an der eigenen Wirklichkeit. Des Künstlers Leben hat Flachsen. Nicht dass er sich schon genug aufregen muss (über die Starre der Armen, den hobbyüberlasteten Mittelstand und – freilich – die „G'stopften“), wird Groebner in seinem achten Solo auch noch der Park genommen. Sein Ort der Ruhe, wo er schauen, denken und trinken kann, ohne von dem zweiköpfigen Arbeits-Familien-Kerberos angebellt zu werden. Als sich über ihm die erste Abrissbirne wiegt und ein Einkaufszentrum für „Triple-A-Customer und Rassehundbesitzer“ ankündigt, legt er los, lässt seinen gut kultivierten Frust heraus und wird lästig.

Das Thema mit dem verlorenen Grün funktioniert gut. Ist die Stadtplanung doch eine langfristige Materie, die es auch in Wirklichkeit sehr schwer hat. Sie schlägt sich mit kurzfristigen Regierungsbeteiligungen, vertrocknet an beharrlichen Rathaus-Platzhaltern oder zerbricht an den glühenden Träumen eines Lobbyisten. Und dass mancher Bahnhof als absurde Dauerbaustelle im Gedächtnis bleibt und wütend macht, ist vielleicht genauso gewöhnlich, wie, dass man darüber ein Kabarettprogramm schreibt...

Im Institut für Raumplanung

Severin Groebner kann das aber außergewöhnlich gut. Diese lange Figur mit der linksromantischen Brille hat bei all dem großen Spiel und der flinken Abfolge seiner hyperrealistischen Figuren (wie dem Politiker, einem „rücksichtslosen Grüßaugust mit Hackfresse“, dem polytoxisch interessierten Hacker Emil oder der Hure mit Herz) leider eine unpraktische Vorliebe für lange Titel. Sein erstes Programm nach dem Jahr, in dem er den Österreichischen Kabarettpreis bekam, heißt „Vom kleinen Mann, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf g'schissen hat“. Wer den Titel schnell liest, darf sich über den Rest freuen.

Da galoppiert Groebner durch das Institut für Raumplanung und Stadtentwicklung und sucht nach wissenschaftlichen Grundlagen wie einst Asterix nach dem Passierschein A38. Er begehrt auf, zeigt das unsaubere Baugewerbe an, witzelt über die Originalität der BMW-, SUV- und Rennradfahrer im Speckgürtel, legt Drittmittel in der Forschung offen, nutzt angestaubte Ideale, betoniert „When The Saints Go Marchin' In“ spielende Kinderkeyboards ein, läuft den Bewegungen auf dem Finanzmarkt hinterher. Gezielt gesetzte Flüche wechseln die schöne Sprache ab. Er headbangt im Keller, arbeitet am Presslufthammer und tänzelt auch dieses Mal wieder am Grenzübergang von politischer Poesie und gut gebauter Pointe. Eine großartige Sache.

Termine

Severin Groebner spielt von 7. bis 10. Jänner im Grazer Theatercafe und am 5. und 6. März wieder im Wiener Kabarett Niedermair. Weitere Termine finden Sie >> hier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2014)

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