„Russland-Sanktionen sind keine Religion“

POLITISCHE VERHANDLUNGSGRUPPE ZUR STEUERREFORM TAGT ERSTMALS: FAYMANN / MITTERLEHNER
POLITISCHE VERHANDLUNGSGRUPPE ZUR STEUERREFORM TAGT ERSTMALS: FAYMANN / MITTERLEHNER(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Bundeskanzler Faymann zeigt sich gegenüber Moskau betont konziliant und stellt Wirkung der EU-Sanktionen infrage.

Brüssel. Auf Kurs bleiben und notfalls die Sanktionsschraube anziehen – das ist die Botschaft der EU-Staats- und Regierungschefs an die Führung in Moskau, was den Umgang mit der russischen Aggression in der Ostukraine und der Annexion der Krim anbelangt. Dass die Union ihre wirtschaftlichen Strafmaßnahmen aufhebt, stand bei dem Donnerstagnacht zu Ende gegangenen Gipfeltreffen in Brüssel nicht zur Debatte. Über europäisches Entgegenkommen könne erst dann geredet werden, wenn die pro-russischen Separatisten in der Ostukraine (sowie Moskau) das Minsker Abkommen umsetzen, sagte Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel im Anschluss an das Treffen. Teil des Abkommens ist unter anderem die Sicherung der ukrainischen Ostgrenze durch ukrainische Beamte – und davon ist man derzeit Lichtjahre entfernt. Auch Gespräche mit Moskau über eine Handelskooperation zwischen der EU und der Eurasischen Union seien von Fortschritten bei der Umsetzung des Abkommens von Minsk abhängig, so Merkel.

Was die Frage des Umgangs mit Russland anbelangt, versucht die Union zwar Geschlossenheit zu demonstrieren – hinter den Kulissen jedoch scheint es durchaus Meinungsverschiedenheiten zu geben. Das Ausmaß der Unstimmigkeiten ließ sich anhand der Ausführungen Werner Faymanns erkennen. Im Gremium der Staats- und Regierungschefs der EU gebe es einige, die aus den Sanktionen gegen Russland „eine Religion machen“ würden, sagte der österreichische Bundeskanzler nach dem Gipfel. Die Strafmaßnahmen seien „eine Art Notwehr“ gewesen, ihre friedensstiftende Wirkung dürfe aber nicht überschätzt werden. „Der Schwerpunkt muss auf Friedensverhandlungen liegen“, so Faymann.

Diese offensiv zur Schau gestellte Konzilianz des Bundeskanzlern wird verständlich, wenn man das Ausmaß der wirtschaftlichen Verflechtung zwischen Österreich und Russland mitberücksichtigt. So hat allein die Raiffeisen Kredite im Gesamtumfang von 15 Mrd. Euro in Russland vergeben, was nach Berechnungen der Analysten von Citigroup die Assets der österreichischen Bank um nahezu das Doppelte übersteigt – demnach ist sie das europaweit am stärksten exponierte Finanzinstitut. Sollte ein Gros der Kredite faul werden, wäre demnach die Existenz des Unternehmens gefährdet. Hinzu kommt die italienische UniCredit, deren Tochter Bank Austria ebenfalls stark in Russland engagiert ist.

Das Thema Sanktionen wird in Brüssel wieder im März akut werden. Dann läuft nämlich die erste Tranche der Strafmaßnahmen aus. Um sie zu verlängern, ist Einstimmigkeit nötig. (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2014)

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