Marktmanipulation bei Turbozertifikaten?

ZOCKEN. Geschädigte Anleger erheben schwere Vorwürfe. Die Finanzmarktaufsicht weist die Kritik zurück.

Wien. (höll). Der Verein für Finanzmarktausgleich, eine Interessensgruppe von geschädigten Anlegern, warnt vor dem Kauf von sogenannten Turbozertifikaten. Denn dabei bestehe die Gefahr, dass namhafte Marktteilnehmer ein zweifelhaftes Spiel mit unvorsichtigen Anlegern treiben. „Turbozertifikate sind die größte Abzocke am ganzen Aktienmarkt“, meint Vereinsvorstand Philipp Buchner. Er rechnet allein für Österreich mit einer Schadenssumme von 100 Mio. Euro. „Die Finanzmarktaufsicht soll sich mehr darum kümmern“, so Buchner.

In den vergangenen Jahren kam es auch in Österreich zu einem regelrechten Boom von Zertifikaten. Führende heimische Banken haben solche Papiere aufgelegt.

Mit Turbozertifikaten können Anleger von Kurssteigerungen als auch von Kursverlusten einer bestimmten Aktie überproportional profitieren. Sie haben aber den Nachteil, dass sie bei Erreichen eines bestimmten Aktienkurses – in der Fachsprache „Knock-out-Schwelle“ genannt – wertlos werden.

„Viele Aktien sind betroffen“

„Für die Banken, die diese Zertifikate aufgelegt haben, ist es natürlich wünschenswert, dass diese Schwelle durchbrochen wird“, sagt Buchner.

Der Anlegerverein sei nach monatelangen Recherchen auf Hinweise gestoßen, dass die Emittenten der Zertifikate beziehungsweise einige Wertpapierhändler diese Knock-out-Grenze aktiv herbeiführen. Gerade an der Wiener Börse sei es relativ einfach, selbst mit kleinen Volumina den Aktienkurs in eine bestimmte Richtung zu lenken.

„Der Skandal trifft nahezu alle Aktien, auf die Turbozertifikate emittiert wurden“, meint Buchner. Diese Aktien waren seinen Angaben zufolge Andritz, A-Tec, Meinl European Land (MEL), AUA, bwin, CA Immobilien, Erste Bank, Intercell, Raiffeisen International, RHI, Uniqa, Verbund, Voestalpine und Wienerberger. In den nächsten Wochen wird der Verein im Internet unter www.turboskandal.at konkrete Aktien und Zeiträume veröffentlichen, bei denen die Manipulationen besonders offensichtlich sind. „Ein professioneller Marktteilnehmer weiß, wann der Markt in einer Aktie dünn ist und wann mit relativ kleiner Börsenorder der Aktienpreis beeinflusst werden kann“, lautet der Vorwurf von Buchner.

Welche Banken und Wertpapierhändler die Anleger auf diese Weise „abzocken“, will der Verein aus rechtlichen Gründen nicht sagen. Man werde die Aufsicht über die Hinweise informieren. Der Rechtsvertreter des Vereins, Georg Vetter, schloss nicht aus, dass gemeinsam mit einem Prozessfinanzierer Musterverfahren geführt werden.

Die Finanzmarktaufsicht weist die Vorwürfe, bei der Überprüfung von Turbozertifikaten säumig zu sein, zurück. „Wir haben im Rahmen der Gesetze unsere Aufsichtspflichten erfüllt“, versichert FMA-Sprecher Klaus Grubelnik. „Wir überprüfen das laufend und konsequent.“ Die Behörde werde aber den Hinweisen der betroffenen Anleger nachgehen.

AUF EINEN BLICK:

Der Verein für Finanzmarktausgleich, eine Gruppe von geschädigten Anlegern, erhebt den Verdacht, dass Banken und Wertpapierhändler mit Turbozertifikaten unvorsichtige Investoren abzocken. Die Finanzmarktaufsicht sollte in der Causa effizienter prüfen. Die Aufsicht weist den Vorwurf zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2009)

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