Druck von 1000 Mrd. Dollar auf EU

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Die US-Notenbank überschwemmt die Wirtschaft mit frisch gedruckten Dollar. Bei ihrem Gipfel in Brüssel erteilen die EU-Regierungen weiteren Hilfspaketen eine Absage.

Wien (ju). Mit dem herkömmlichen Zinsserum ist der Patient US-Konjunktur mit Zinsen in der Nähe von null Prozent austherapiert. Jetzt greift die US-Notenbank Fed zur härtesten Droge, die ihr im Kampf gegen die schwere Wirtschaftskrise zur Verfügung steht: Sie wird über den Aufkauf von Staatsanleihen und „Schrottpapieren“ (siehe nebenstehende Geschichte) noch einmal mehr als 1000 Milliarden Dollar in die Wirtschaft pumpen.

Geld, das nicht vorhanden ist, sondern erst „geschaffen“ werden muss. Das kann die Fed aus dem Stand: Sie hat die Lizenz zum „Gelddrucken“ auf Basis ihres bloßen Willens, wiewohl die neu geschaffenen Summen zumindest vorläufig nicht als physische Geldscheine, sondern nur als Buchungszeilen auf diversen Konten existieren.

Durch den Ankauf der Anleihen von Banken und anderen institutionellen Anlegern erhöht die Fed deren Liquidität. Banken sind dann beispielsweise in der Lage, mehr Kredite zu besseren Konditionen zu begeben. Daraus erhoffen sich die Amerikaner die konjunkturbelebende Wirkung.

Die andere Seite der Medaille hat am Donnerstag der deutsche Wirtschaftsprofessor Dirk Schiereck von der Uni Darmstadt auf den Punkt gebracht: Der Ankauf von Staatsschulden mit frisch „gedrucktem“ Geld bedeutet, dass die USA beginnen, sich über die Notenpresse zu entschulden.

Der 18. März 2009 – der Tag, an dem das Billionenpaket angekündigt wurde – könnte in die Geschichtsbücher also als der Startschuss für die große Inflation ab ungefähr 2011 eingehen.

Die kann nur vermieden werden, wenn die Fed die unglaublichen Summen neu generierter Dollar beim Wiederanspringen der Konjunktur rechtzeitig aus dem Markt bekommt. Indem sie etwa die jetzt gekauften Staatsanleihen wieder verkauft und so dem Markt Liquidität entzieht. Dass das funktioniert, gilt aber als unwahrscheinlich – und auch politisch schwer machbar. Würde es doch bedeuten, dass die Konjunktur unmittelbar nach einer schweren Krise gleich wieder eingebremst wird.

Geldmenge mehr als verdoppelt

Wie groß die Geldmengenausweitung – also im Prinzip die Inflationierung des US-Dollar – bereits ist, zeigt ein Zahlenvergleich: Vor einem Jahr betrug die sogenannte Zentralbankgeldmenge in den USA 800 Milliarden Dollar. Nach dem jetzigen Schritt werden es 1750 Milliarden sein. Die Geldmenge hat sich also innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt.

Die Reaktion der Märkte deutet eindeutig in Richtung Inflationsszenario: Der Goldpreis machte am Donnerstag einen gewaltigen Satz nach oben. Der Dollar gab gegen den Euro stark nach. Marktbeobachter meinen, dass die Dollarschwäche in den nächsten Wochen weitergehen und ein Euro bald wieder zumindest 1,45 Dollar kosten wird. Für die rezessionsgeplagte europäische Exportwirtschaft ist das bitter, weil ihre Waren im Dollarraum dadurch teurer werden.

Der dramatische Schritt der amerikanischen Notenbank kam nicht ganz unerwartet: Der US-Leitzins ist schon nahe bei null, Zinssenkungen können zur Wirtschaftsbelebung also nicht mehr eingesetzt werden. Und Notenbankchef Ben Bernanke hat einmal in Anspielung auf ein Zitat des Ökonomen Milton Friedman gesagt, eine (vorerst) drohende Deflation müsste man notfalls auch damit bekämpfen, dass man „Geld aus dem Hubschrauber abwirft“. Seither trägt er den Spitznamen „Helicopter Ben“.

EU-Länder bremsen bei KrisenhilfeS. 2
Angespannte Lage in FrankreichS. 3
Leitartikel von Michael Prüller: Eine Überdosis GeldS. 31

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2009)

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