EU will Mitglieder im Osten vor der Pleite retten

(c) APA (Roland Schlager)
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Regierungschefs einigten sich auf 50 Milliarden Euro für Nicht-Euro-Länder. In den Vormonaten haben bereits Ungarn 6,5 Milliarden Euro sowie Lettland 3,1 Milliarden Euro aus dem Notfonds bezogen.

BRÜSSEL. Österreichs Regierungsspitze jubelt: Am Freitag einigten sich die EU-Chefs in Brüssel darauf, dass sie Mitgliedstaaten im Osten mit insgesamt 50 Milliarden Euro aus dem „Nottopf“ helfen wollen, sollten diese vor einer Pleite stehen. Davor umfasste der Notfonds nur Kredite im Umfang von 25 Milliarden Euro.

Ob das Geld ausreichen werde, um eine Zahlungsunfähigkeit einzelner osteuropäischer Länder zu verhindern, war von Beginn an fraglich. In den Vormonaten haben bereits Ungarn 6,5 Milliarden Euro sowie Lettland 3,1 Milliarden Euro aus dem Notfonds bezogen. Die Darlehen werden von der EU-Kommission verteilt. Die Aufstockung des Fonds dürfte dazu beitragen, dass auch die Geschäftstätigkeit heimischer Banken in mittel- und osteuropäischen Ländern besser abgesichert ist.

Pröll: „Riesigen Erfolg gefeiert“

Österreichs Vertreter beim EU-Gipfel zeigten sich daher hoch erfreut: „Wir haben heute einen riesigen Erfolg gefeiert“, erklärte Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll (ÖVP). Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) betonte, es habe sich gezeigt, „dass sich Diskussion auszahlt“. Erst in der Nacht auf Freitag war Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf eine Verdoppelung der Mittel im „Nottopf“ eingeschwenkt, davor hatte Berlin gebremst.

Beim EU-Gipfel kamen die Staats- und Regierungschefs aber überein, dass die Länder in Mittel- und Osteuropa besondere Hilfe bräuchten. Sie würden zu den größten Opfern der Wirtschaftskrise zählen. Vor allem Frankreichs konservativer Präsident Nicolas Sarkozy machte sich in Brüssel dafür stark, die Summe von 25 auf 50 Milliarden Euro zu erhöhen.

Die Nothilfe zur Absicherung der Zahlungsbilanz kommt nicht direkt aus dem EU-Budget – sondern die EU-Kommission muss ermächtigt werden, Kapital von den Märkten aufzunehmen und dieses als Kredite zur Verfügung zu stellen.

Die österreichische Regierung hatte seit Februar in den anderen EU-Hauptstädten Stimmung für ein „Osthilfepaket“ gemacht, sich aber zunächst nur Abfuhren eingehandelt. Die anderen Länder sahen noch keinen Bedarf, den Partnern im Osten zu Hilfe zu eilen.

Gemäß dem Beschluss vom Freitag sind künftig alle elf Nicht-Euro-Länder in der Union bezugsberechtigt. Anders als die Euro-Länder kämpfen sie gegen zunehmende Währungsspekulationen, die ihre Lage noch verschärfen.

Aus dem „Nottopf“ können grundsätzlich auch Dänemark, Großbritannien und Schweden Kredite erhalten. Der Schwerpunkt liegt aber auf den Ländern in Ost- und Mitteleuropa: Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Tschechien und Ungarn. Sie sollen mit dem Geld den Staatsbetrieb aufrechterhalten können. Sonst würden sie mit ihrer Pleite auch Lieferanten aus dem Westen Europas mitreißen.

Österreich hat ein besonderes Interesse an Stabilität in der Region, weil seine Betriebe, vor allem Banken, dort überdurchschnittlich engagiert sind. Werden Kredite österreichischer Banken aufgrund des Bankrotts von EU-Partnern im Osten nicht mehr gedeckt, wäre als nächstes Österreich bedroht.

Welche Länder schon demnächst auf den Notfonds zugreifen könnten, wollte Finanzminister Pröll am Freitag nicht sagen. „Wir wollen, dass unsere Banken dort auch in der Krise Geschäfte machen“, sagte er allgemein. Bundeskanzler Faymann schloss nicht aus, dass es bald sogar mehr als 50 Milliarden Euro für die Region brauchen könnte. „Ich würde mich nicht trauen zu sagen, dass es ausreicht“, sagte er.

Auch an Nicht-EU-Staaten wie die Ukraine sandten die Staats- und Regierungschefs am Freitag ein deutliches Signal: Sie vereinbarten, weitere 75 Milliarden Euro in den Internationalen Währungsfonds (IWF) zu zahlen. Dieser kann damit Schwellenländer vor dem Bankrott retten. Gemeinsam wollen die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) diese Hilfe demnächst auf 500 Milliarden US-Dollar (368 Milliarden Euro) verdoppeln.

Meinung von Wolfgang Böhm, Seite 33

DIE WICHTIGSTEN ERGEBNISSE DES EU-GIPFELS

Mehr Ost- und Nicht-EU-Hilfe: Der EU-Notfonds für Nicht-Euro-Länder im Osten der EU wird künftig 50 Milliarden Euro umfassen. Den IWF will die EU mit weiteren 75 Milliarden Euro für Notkredite an Nicht-EU-Länder speisen.

Fünf-Milliarden-Euro-Paket: Als kurzfristige Hilfe gegen die Krise wird die EU fünf Milliarden Euro in Projekte von der Pipeline „Nabucco“ (200 Milliarden Euro) bis zu Breitbandverbindungen stecken.

Österreich keine Steueroase: Geht es nach den EU-Chefs, dann werden Österreich und Luxemburg am 2. April nicht auf die „schwarze Liste“ der Steueroasen gesetzt, welche die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) planen. Die zwei Länder hatten davor beim Bankgeheimnis eingelenkt.

Klimaschutzpaket: Die EU-Chefs ließen offen, wie viel die einzelnen Länder zu den gemeinsamen Klimaschutzzielen beitragen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2009)

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