Peter Kaiser: Gehalt für Mütter und freiwillige Helfer

Peter Kaiser
Peter Kaiser (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser will neue Antworten der SPÖ auf Zukunftsfragen. Das betrifft die Verteilung von Arbeit ebenso wie die Einführung eines Grundgehalts abseits der Lohnarbeit.

Herr Landeshauptmann, ziehen Sie Probleme an?

Peter Kaiser: Manchmal habe ich auch den Eindruck, aber offensichtlich holt die Vergangenheit anderer mich ein.

Nicht nur die Vergangenheit. Als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz mussten Sie erklären, warum die Länder ihre Verpflichtungen im Asylbereich nicht erfüllen können.

Die Länder haben ihre Verpflichtungen erfüllt, wenn man sie an den Zahlen aus jener Zeit misst, als die Verpflichtung abgeschlossen wurde. Wir bemühen uns, die 100-Prozent-Quote zu erfüllen. Was in der Öffentlichkeit offensichtlich nicht gesehen wird, sind die absoluten Zahlen. Allein in Kärnten benötigen wir seit Juli 500 Plätze mehr.

Aber es sollte ja keine große Überraschung sein, dass die Flüchtlingszahlen schwanken. Es gibt eben Phasen mit einem stärkeren Zustrom.

Beim Begriff schwanken gebe ich Ihnen recht, aber seit einiger Zeit steigt es ausschließlich. Die Asylanträge pro Woche sind vergangenes Jahr von 300 auf über 1100 pro Woche gestiegen. Das sind massenfluchtartige Entwicklungen. Da ist es nicht einfach, bei der Quartiergebung nachzukommen, da man sehr viel Überzeugungsarbeit gegenüber den Bürgern in den Gemeinden braucht, um das umzusetzen. Und ich weiß, wovon ich spreche, da ich das als Flüchtlingsreferent selbst mache.

Wenn man sich die Entwicklungen an den internationalen Krisenherden ansieht, weiß man, dass es noch viel schlimmer kommen kann. Sind Sie darauf vorbereitet?

Ich gehe auch davon aus, dass es zu keiner Stagnation kommen wird. Umso wichtiger ist es, klarzumachen, dass wir es nicht schaffen werden, wenn sich nur zehn EU-Staaten der Flüchtlingsströme annehmen. Österreich liegt gemessen an der Einwohnerzahl an dritter Stelle. Eine gemeinsame Flüchtlingspolitik der Europäischen Union ist dringendst notwendig.

Das wird die Länder nicht davon entbinden, ihre Hausaufgaben zu machen.

Wir arbeiten daran, aber man benötigt für alle Maßnahmen eine gewisse Vorlaufzeit. In Kärnten versuchen wir, halbwegs eine Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen. Und wir wollen nicht mehr als 50 Flüchtlinge in einem Quartier haben. Das sind Menschen, die dann hier leben. Da geht es auch um Integration und Betreuung. Es ist nicht damit getan, sie in ein Quartier zu bringen.

Kommen wir zu einem anderen Bereich, in dem es auch nicht ganz rund läuft: In der SPÖ gibt es eine Führungsdiskussion. Halten sie Christian Kern für kanzlertauglich?

Ich sehe keine Führungsdiskussion in der SPÖ. Christian Kern, den ich sehr schätze, hat klare Aussagen dazu gemacht, dem ist nichts hinzuzufügen.

Aber offensichtlich sind viele SPÖ-Funktionäre mit der Führung unzufrieden.

Es gibt viele kritische Äußerungen. Ich habe beim Parteitag einen Grundsatz formuliert, der heftig akklamiert wurde, nämlich dass Kritik und Parteitreue keine Gegensätze sind.

Läuft etwas falsch in der SPÖ?

Es können immer Dinge besser laufen, aber ich zeige nicht mit dem Finger auf andere, da fange ich bei mir selbst an.

Fassen wir es etwas breiter: Die SPÖ hatte in den 1970er-Jahren noch eine absolute Mehrheit, in den 90er-Jahren immer noch 40 Prozent. Warum erreicht man jetzt nur noch ein Viertel der Wähler?

Jede einzelne Stimme weniger schmerzt. Man muss aber auch sehen, dass es zu immer mehr Differenzierungen in der Gesellschaft kommt, die sich auch in neuen Parteien – manche permanent, manche vorübergehend – äußert. Das Parteienspektrum ist breiter geworden.

Ist es nicht umgekehrt? Dass es das neue Parteienspektrum gibt, weil die ehemaligen Großparteien nicht mehr attraktiv sind?

Das ist zweifelsohne richtig, und ich glaube auch, dass es eine der Hauptaufgaben der Sozialdemokratie ist, dass man programmatisch sagt, wie man sich eigentlich die Zukunft vorstellt. Wir müssen uns vom Verwalten wieder zum Gestalten entwickeln. Und wir müssen dringend die richtigen Zukunftsfragen stellen und dann versuchen, Antworten zu finden.

Gut, dann geht die Frage an Sie: Wie stellen Sie sich die Zukunft vor?

Wir werden über eine breitere Verteilung der vorhandenen Lohnarbeit sprechen. Wir müssen uns mit der Frage eines Grundeinkommens auseinandersetzen, und wir müssen über Verteilungspolitik sprechen.

Verteilung von Lohnarbeit heißt Arbeitszeitverkürzung?

Das ist ein Element. Es geht aber auch um andere Lebensarbeitszeitmodelle. Es gibt Modelle mit Sabbaticals, mit Lernphasen. Man muss hier den Mut haben, auch querzudenken. Auch die Unterscheidung von Unternehmern und Lohnarbeit ist zu hinterfragen. Ein-Personen-Unternehmer sind im Prinzip nicht anders als Arbeitnehmer.

Sie haben ein Grundeinkommen erwähnt. Soll es ein arbeitsloses Grundeinkommen geben?

Ich denke, es soll eine Debatte darüber geben. Wir sind noch in einer Gesellschaft, die sich über Lohnarbeit definiert. Ein arbeitsloses Grundeinkommen würde rein von der Begrifflichkeit dem widersprechen. Doch man sollte schauen, ob es Grundsicherungsmodelle gibt.

Aber das gibt es doch längst.

Das ist an Erwerbsarbeit und an den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt gekoppelt. Ich halte das derzeit noch für richtig, bin mir aber nicht sicher, ob das für die Zukunft gilt. Man muss sich überlegen, ob man gesellschaftliche Arbeit, die nicht unter Lohnarbeit firmiert, unterstützt.

Was genau meinen Sie da?

Dazu gehören Kindererziehung oder ehrenamtliche Tätigkeiten. Auch das sind wertvolle Beiträge für die Gesellschaft. Da könnte man sagen, dafür gibt es ein gewisses Grundeinkommen. Damit könnten wir vielleicht einen Teil zukünftiger Formen gesellschaftlichen Miteinanders vorwegnehmen.

Das ist finanzierbar?

In Summe wird der gesellschaftliche Reichtum mehr. Ein Großteil geht in Finanztransaktionen, geht in fiktive Geschäfte. Der Reichtum ist da, die Frage ist, wie man ihn verteilt.

Noch einmal zurück zur SPÖ: Die hat sich von einer Arbeiterpartei zur Pensionistenpartei entwickelt. Die Arbeiter sind zur FPÖ gewandert. Was wollen sie dem entgegensetzen?

Es ist richtig, dass die SPÖ eine starke Verankerung in der älteren Generation hat. Dass wir uns vermehrt in den Bereichen engagieren müssen, in denen die Erwerbsarbeit angesiedelt ist, ist daraus zwingend ableitbar.

Haben Sie Interesse an der Bundespolitik?

Ich verfolge die Bundespolitik jeden Tag und versuche, sie als stellvertretender Bundesparteiobmann der SPÖ mitzugestalten.

Sie wissen, dass die Frage anders gemeint war. Haben Sie Interesse an einem Wechsel in die Bundespolitik?

Mein Interesse beschränkt sich auf eine einzige bundespolitische Funktion: alle viereinhalb Jahre Sprecher der Landeshauptleutekonferenz zu sein.

Dann zurück zu Kärnten: Patienten müssen jetzt längere Wartezeiten in den Spitälern in Kauf nehmen, weil keine Einigung mit den Ärzten gelungen ist. Warum nicht? In anderen Ländern ging es ja auch.

Das ist auch für mich unverständlich. Wir haben ein mehr als attraktives Angebot gelegt. In Summe war es das, was die Steiermark gemacht hat, auf Kärnten umgelegt. Wir haben das Angebot gemacht, ein Gehaltsschema zu erstellen. Und wir haben das Ganze im Gegensatz zu anderen rückwirkend mit 1.1. 2015 angeboten.

Ausbaden müssen das jetzt die Patienten?

Die Kabeg (Kärntner Krankenanstaltengesellschaft) wird alles tun, um die volle Handlungsfähigkeit sicherzustellen. In manchen Bereichen, wo nicht sofortige medizinische Eingriffe notwendig sind, wird es aber zu Wartezeiten kommen. Wobei ich davon ausgehe, dass der extramurale Bereich (niedergelassene Ärzte, Anm.) Bereitschaft zeigt, Patienten zu versorgen.

Zum HCB-Skandal im Görtschitztal: Hat die Politik Fehler gemacht?

Ich kann das nur für die persönlichen Zuständigkeiten sagen: Seit dem Zeitpunkt, seit ich Bescheid weiß, haben wir alles getan, um zur raschen Aufklärung beizutragen. Ich glaube, ich habe das Krisenmanagement auf vernünftige Beine gebracht. Für die politische Verantwortung gibt es einen Untersuchungsausschuss.

Sie haben keine Meinung zu den Verantwortlichkeiten?

Das ist nicht meine Aufgabe, dafür gibt es den U-Ausschuss und eine Untersuchungskommission unter Leitung von Professor Bernd-Christian Funk.

Sie wollten eigentlich Budgets ohne Defizit beschließen. Aber Kärnten verschuldet sich jetzt weiter.

Seit dem damaligen Beschluss, keine Neuverschuldung zuzulassen, hat sich die Einnahmenprognose um 69 Millionen Euro verschlechtert. Unter den Umständen ist eine Neuverschuldung von 37 Millionen Euro akzeptabel.

Gründe für Neuverschuldung finden sich immer. Man hätte auch sparen können.

Das hätte regressive Wirkungen im Investitionsbereich gehabt.

Steckbrief

4. Dezember 1958
Peter Kaiser wird in Klagenfurt geboren.

1981
Kaiser wird Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Kärnten, später Gemeinderat in Klagenfurt und Landtagsabgeordneter.

2010
Kaiser wird Obmann der zerstrittenen Kärntner SPÖ.

2013
Bei der Landtagswahl am 28. März erleidet die bisherige FPÖ-Regierung eine vernichtende Niederlage, Kaiser schmiedet eine rot-grün-schwarze Dreierkoalition und wird Landeshauptmann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2015)

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