„Unterwerfung“: Bei Houellebecq wird Frankreich muslimisch

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Der Roman „Soumission“ erscheint am Mittwoch: Er zeichnet die Islamisierung Frankreichs im Jahr 2022. Er wird für Debatten sorgen, nicht nur, weil reale Politiker vorkommen. Im Interview meint Houellebecq, Marine Le Pen hätte „schon für 2017“ reale Chancen.

„Soumission“ heißt der neue Roman von Michel Houellebecq, der am 7. Jänner in Frankreich erscheint. Die deutsche Übersetzung kommt eine Woche später in den Handel, sie heißt „Die Unterwerfung“. Den Titel versteht Houellebecq als wörtliche Übersetzung des Worts „Islam“, das tatsächlich vom Verb „aslama“ (übergeben, sich ergeben, sich hingeben) kommt.

Der Roman spielt im Jahr 2022, seine Hauptfigur François ist Literaturwissenschaftler und wird von der Islamischen Universität Sorbonne gekündigt, auf der schon der Halbmond prangt und in der die Sekretärinnen verschleiert sein müssen. Der neue Präsident der Uni, ein Nietzsche-Kenner, ist zum Islam konvertiert und hat eine 15-Jährige geheiratet. Er schwärmt von der Unterwerfung als Prinzip des Glücks.

François erlebt den Umbau der Gesellschaft in der für Houellebecq-Helden typischen Ungerührtheit; er bekommt eine akzeptable Pension; auch dass seine Geliebte, Myriam, nach Israel emigrieren muss, erträgt er mit Fassung, er lebt ohnehin gern promiskuitiv. Seine Forschung gilt dem französischen Schriftsteller Joris-Karl Huysmans (1848–1907), der aus ästhetischen Gründen zum Katholizismus konvertiert ist.

Houellebecq zeichnet auch ein politisches Szenario des Jahres 2022: Ein Bürgerkrieg ist überstanden. Der Front National drängt an die Macht. Bei den Präsidentschaftswahlen hat der Kandidat der Muslimbrüder die relative Mehrheit; Linke und Bürgerliche unterstützen ihn in der Stichwahl, um einen Sieg von Marine Le Pen zu verhindern. So wird Mohammed Ben Abbes Präsident und François Bayrou von der Zentrumspartei Mouvement démocrate sein Premier.

„Die dümmste Religion“

Bayrou gibt es wirklich, genauso wie Marine Le Pen, schon deshalb ist mit politischen Reaktionen zu rechnen. Aber auch mit Protesten der bekanntlich für Kritik empfindlichen Moslems. Solche hat Houellebecq ja bereits 2000 mit seinem Roman „Plattform“, in dem die weibliche Hauptfigur einem islamistischen Terroranschlag zum Opfer fällt, verärgert. Damals nannte er den Islam „die dümmste Religion“.

Man solle Houellebecqs „gespenstische Zukunftsvision“ nicht „einfach nur als absurd abtun“, schreibt Sandra Kegel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: Sie hat den als illegalen Download im Internet kursierenden Roman offenbar schon vollständig gelesen. Ihr „FAZ“-Kollege Jürg Altmann meint jedoch: „Dass der Verfasser politisch unzurechnungsfähig ist, wissen wir längst. Doch so plump und primitiv wie in diesem Roman waren seine Provokationen bisher nicht.“ Und, in Anspielung auf den Titel des ersten Romans von Houellebecq: „Bei dieser Ausweitung der Kampfzone sollte man ihm nicht folgen.“

Houellebecq hat bisher zu „Unterwerfung“ nur ein Interview gegeben, das in deutscher Übersetzung in der „Welt am Sonntag“ erschienen ist: seinem Duzfreund Sylvain Bourmeau. Darin meint er, dass eine islamische Partei in westlichen Staaten „eigentlich eine zwingende Idee“ sei. Schwierig sei nur, dass sich die Moslems dafür untereinander verstehen müssten. Über die Muslimbrüder findet Houellebecq ruhige, fast freundliche Worte, spricht über ihre „lokale Vernetzung, soziale Organisation, Kulturzentren, Gebetshäuser, Ferienheime, medizinische Hilfe – ungefähr das, was früher die Kommunistische Partei gemacht hat“. Dass eine islamische Partei wirklich in sieben Jahren an die Macht kommt, hält Houellebecq für „nicht sehr wahrscheinlich“, aber: „Marine Le Pen erscheint mir für 2022 ziemlich wahrscheinlich, sogar schon für 2017.“ (tk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2015)

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