Können 50 Meter Vorstadtstraßenrest ein Platz sein? Erstaunlichkeiten aus Kagran.
Was macht einen Platz zum Platz? Und: Wie viel Wintzingerode-Meter sind eine Hertha Firnberg? Seltsame Fragen. Was einem in Kagran so alles einfallen kann . . . Der Reihe nach. Die Wintzingerodestraße muss man nicht kennen. Genauso wenig den Herrn, dem sie ihren Namen verdankt: Über Ferdinand Freiherrn von Wintzingerode-Ohmfeld (1770 bis 1818) weiß jenseits des Lexikons der Wiener Straßennamen kaum jemand Bescheid. Für die Benennung eines Wiener Straßenzugs hat es jedenfalls gereicht. Der flankierte ursprünglich die Südwestseite jener Erzherzog-Carl-Kaserne, die in Kagran 1910 errichtet wurde; heute ist er allenfalls als Zubringer zu einem Parkhaus des Donauzentrums geläufig. Auch ein Avancement.
Von der Kaserne ihrerseits ist nicht mehr allzu viel übrig; Mitte der 2000er ist sie meistenteils einer Wohnverbauung gewichen. Und auch die Wintzingerodestraße selbst ist nicht mehr, was sie 100 Jahre lang war: Der hat man 2010 per Gemeinderatsbeschluss 50 Meter amputiert. Seither hört der äußerst ostseitige Wintzingerodestraßenstummel auf den Namen Firnbergplatz. Und per Adresse Firnbergplatz 1 wiederum firmieren seither die „Hertha-Firnberg-Schulen für Wirtschaft und Tourismus“, die man angrenzend errichtet hat. Wer allerdings unter Firnbergplatz 1 Zutritt zum Schulgelände sucht, findet sich vor abweisender Turnsaalmauer, neben der sich gerade noch eine Art Hintereingangsschluf öffnet. Das architektonisch gestaltete Schulentree befindet sich nämlich nicht hier, sondern in der parallelen Bernoullistraße. Macht nichts: Der Firnbergplatz ist ja auch nicht wirklich ein Platz, bloß ein 50 Meter langer Vorstadtstraßenrest.
Österreichs erste Wissenschaftsministerin müsste sich über all dem nicht grämen: Ihr hat man schon 2001 eine Hertha-Firnberg-Straße geweiht – zwölf Luftlinien-Kilometer entfernt, auf dem Wienerberg. Samt Hertha-Firnberg-Schule übrigens. Und wer sich jetzt noch über die Modalitäten hiesiger Schul- und Verkehrsflächenbenennungen im Klaren ist, hat die Amtsprüfung bestanden.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2015)