Kroatien: Der Aufstieg der Patriotin

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Sie gilt als bodenständig und weltgewandt: Wie die Fleischertochter Kolinda Grabar-Kitarović Amtsinhaber Josipović im Kampf um das Präsidentenamt gefährlich wurde.

Zagreb/Belgrad. Im Rennen um Kroatiens Präsidentenamt hatten vorab nur die wenigsten der energischen Frau mit dem sperrigen Doppelnamen eine realistische Chance gegeben. Doch nicht nur wegen ihrer 30.000 zurückgelegten Wahlkampfkilometer hatte sich Kolinda Grabar-Kitarović in dem auszehrenden Stimmenstreit gegen den favorisierten Amtsinhaber, Ivo Josipović, weitaus besser geschlagen als zunächst vermutet: Auch die letzten Umfragen vor der am Sonntag abgehaltenen Stichwahl (Ergebnisse lagen bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht vor) sahen die 46-Jährige nahezu gleichauf mit ihrem elf Jahre älteren Rivalen: Bis zuletzt galt der Wahlausgang als völlig offen. Die ungewohnte Spannung vermochte am Wahltag selbst die eher politikverdrossenen Kroaten zu mobilisieren: Am Sonntagvormittag zeichnete sich eine wesentlich höhere Wahlbeteiligung als noch im ersten Wahlgang ab. Ein starkes Wähleraufkommen hatten Analysten vorab als eher positiv für Amtsinhaber Josipović bewertet.

Diplomatin, „die eine Kuh melken kann“

Doch zumindest der Stimmen der Anhänger der Bauernpartei HSS konnte sich die von der konservativen HDZ nominierte Ex-Außenministerin am Sonntag sicher sein. Grabar-Kitarović sei eine Frau, „die auf dem Land aufgewachsen ist und selbst harte Arbeiten verrichtet hat“, begründete die Lobbypartei ihre Wahlempfehlung für die vermeintliche Außenseiterin. Selbst bei der Nato sei sie die einzige Frau gewesen, „die eine Kuh melken konnte“, kokettiert auch die in einem Dorf bei Rijeka aufgewachsene Metzgertochter gern mit ihrer Herkunft.

Doch die vermeintliche Landpomeranze mit dem pausbäckigen Lächeln, die fließend Englisch, Portugiesisch und Spanisch spricht, hat schon früh das internationale Parkett gesucht. Schon in den 1990ern trat sie der HDZ bei und schlug nach ihrem Studium der Romanistik und Literatur im Außenministerium eine Karriere im diplomatischen Dienst ein. 2003 hatte sie der damalige HDZ-Chef und Premier, Ivo Sanader, zunächst als Europaministerin ins Kabinett berufen, bevor sie von 2005 bis 2008 als Außenministerin diente.

Mit der Berufung zur US-Botschafterin schied Grabar-Kitarović 2008 noch vor dem tiefen Fall ihres 2010 verhafteten und mittlerweile wegen Korruption rechtskräftig zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilten Förderers, Sanader, aus der Regierung aus. Doch selbst nach Beginn der ersten Justizermittlungen gegen Sanader verteidigte die loyale Parteisoldatin im US-Exil ihren bedrängten Exchef in einem Leserbrief an die „Washington Post“ als „anständigen und anerkannten Reformer“. Selbst gelangte sie unbeschadet aus dem zahlreiche HDZ-Größen erfassenden Korruptionsstrudel. Aus den USA wechselte sie 2011 nach Brüssel, wo sie stellvertretende Nato-Generalsekretärin wurde.

Als moderate Konservative wurde die umgängliche Kolinda Grabar-Kitarović vom derzeitigen HDZ-Chef, Tomislav Karamarko, gegen den scheinbar übermächtigen Amtsinhaber, Josipović, ins Präsidentschaftsrennen geschickt. Mit einem Kreuz an der Halskette, betont patriotischen Zungenschlag und Forderungen von eher simpler Machart zog die weltgewandte Diplomatin erfolgreich in den Stimmenstreit – und lag im ersten Wahlgang mit Josipović fast gleichauf. Den Vorwurf, nur Marionette ihres Parteichefs zu sein, ficht die resolute Familienmutter nicht an. Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung, „aber auch mit Herz und Patriotismus“, werde sie das Präsidentenamt besser ausüben als ihr Rivale, gelobte sie im Wahlkampf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2015)

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