Ex-IHS-Chef: „Griechenland braucht neuen Schuldenschnitt“

Former head of Austria´s economic research institute IHS Keuschnigg addresses a news conference in Vienna
Former head of Austria´s economic research institute IHS Keuschnigg addresses a news conference in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Für Ex-IHS-Chef Keuschnigg hält die Eurokrise weiter an, er plädiert für weitere Privatisierungen in Österreich.

Wien. Einen weiteren Schuldenschnitt hält der frühere Chef des Instituts für Höhere Studien, Christian Keuschnigg, im Falle Griechenlands für unausweichlich. Alles andere wäre ein Fall von Konkursverschleppung, meinte Keuschnigg gestern, Dienstag, im Wiener Klub der Wirtschaftspublizisten. Allerdings dürfe das nur unter strengsten Reformauflagen geschehen, meinte Keuschnigg, der an der Uni St. Gallen lehrt.

Griechenland ist derzeit mit rund 180 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) verschuldet und damit das mit Abstand am höchsten verschuldete Euroland. Das Land hat bereits einige sehr schmerzhafte Reformen auf den Weg gebracht und verzeichnet einen Primärüberschuss im Budget (was bedeutet, dass es ohne Schuldendienst ausgeglichen bilanziert). Die hohe Zinsenlast durch die Staatsschulden nimmt der Regierung in Athen aber jeglichen Spielraum.

Eurokrise noch nicht gelöst

Analysten hatten kürzlich gemeint, dem Land müsste die Hälfte der Schulden erlassen werden, damit es wieder auf die Beine kommt. Keuschnigg meint, die Schuldenquote müsste durch den Schnitt in die Gegend von 130 Prozent des BIP gedrückt werden. Würden zu viele Schulden erlassen, dann könnten auch andere hoch verschuldete Länder (auch Italien und Belgien liegen beispielsweise deutlich über 100 Prozent) einen Nachlass verlangen.

Griechenland ist seit dem ersten Schuldenschnitt, der ausschließlich Private getroffen hat, praktisch nur noch bei Staaten verschuldet. Die Eurokrise sieht Keuschnigg noch lange nicht gelöst: Auseinanderdriftende Wettbewerbsfähigkeit, instabile Banken und überhöhte Staatsverschuldung würden weiter für Probleme sorgen. Durch die Reformträgheit in Frankreich und Italien würde die Wachstumsschwäche in der Eurozone verschärft, Versäumnisse der Vergangenheit würden nun, weil die EZB Schulden übernommen habe, den Steuerzahlern auf den Kopf fallen.

„Steuerhoheit für die Länder“

Zur Diskussion um die ÖIAG-Nachfolgegesellschaft ÖBIB meinte Keuschnigg, der Staat solle sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren und die Staatsholding weitgehend unabhängig agieren lassen. Die professionelle Verwaltung von Staatsbeteiligungen sei ein Geschäft, das der Staat nicht unbedingt selbst machen müsse.

Bei den börsenotierten ÖBIB-Unternehmen (Post, Telekom, OMV) sieht Keuschnigg derzeit einen guten Zeitpunkt für weitere Teilprivatisierungen. Der Erlös könnte zur Gegenfinanzierung der Steuerreform verwendet werden, meinte der Experte.

Privatisierungserlöse fließen nur einmal, man könnte damit aber Ausgabensenkungen „vorfinanzieren“. Denn „Steuern zu senken geht viel schneller als Ausgaben zu senken“. Die Lücke könnte man mit Privatisierungserlösen überbrücken.

In Sachen Steuerreform sprach sich Keuschnigg erneut gegen eine Vermögenssubstanzbesteuerung aus. Besteuert werden solle nicht die „Vermögensquelle“, also die Substanz, sondern nur der echte Vermögenszuwachs. Außerdem gebe es mit der Grundsteuer und der Grunderwerbssteuer praktisch schon eine Vermögen- und eine Erbschaftssteuer. Hier könne man sicherlich Anpassungen vornehmen.

Notwendig wäre nach Ansicht des Ex-IHS-Chefs eine Föderalismusreform, in deren Rahmen die Länder Steuerautonomie erhalten müssten. Sparanreize könne es für die Öffentliche Hand nämlich nur geben, wenn Ausgaben und Einnahmen in einer Hand vereint wären. Derzeit treibt der Bund den Großteil der Steuern ein und verteilt diese dann nach einem genau vorbestimmten Schlüssel im Rahmen des Finanzausgleichs an Länder und Gemeinden. Eine Steuerautonomie der Länder sei, wie in der Schweiz schon praktiziert, gut mit einem „solidarischen Finanzausgleich“ vereinbar, so Keuschnigg. Eigene Steuerverwaltungen sollten die Länder aus Kostengründen aber nicht aufbauen. (ju)

AUF EINEN BLICK

Christian Keuschnigg, Professor an der Uni St. Gallen und bis vor Kurzem Chef des Wiener Instituts für Höhere Studien (IHS), hält einen Schuldenschnitt für Griechenland für unvermeidlich, verlangt dafür allerdings strikte Reformauflagen. Die geplante Steuerreform in Österreich solle durch Erlöse aus weiteren Privatisierungen zwischenfinanziert werden bis Ausgabeneinsparungen zu greifen beginnen, verlangt der Experte. Der Staat solle sich in seine neue Beteiligungsholding ÖBIB, die die ÖIAG ersetzt, nicht zu stark einmischen. Für die Bundesländer verlangt der Wirtschaftsfachmann die Steuerhoheit. Einsparungen könnten nur funktionieren, wenn Einnahmen- und Ausgabenhoheit zusammengeführt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2015)

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