Wiesberger: „Ich habe noch lange nicht ausgesorgt“

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Bernd Wiesberger, 29, spricht mit der "Presse" in Doha über die Schattenseiten seines Berufs, teuren Champagner und die wahre Kunst im Golf.

Die Presse: Sie verdienen ausgesprochen gut, bereisen die Welt. Welche Schattenseiten hat der Beruf des Golfprofis denn?

Bernd Wiesberger: Ich sehe oft wochenlang meine Freunde und Familie nicht. Der Reiseaufwand ist enorm, auch die Kosten für Flüge, Hotels, Caddy, Trainer und Physiotherapeuten dürfen Sie nicht unterschätzen.


Sie müssen Ihren Aufenthalt in den Hotels selbst bezahlen?

95 Prozent der Spieler müssen das, ja. Das betrifft mich genauso. Nur ein paar wenige Superstars, etwa Rory McIlroy, sind davon ausgenommen.


Können Sie mit McIlroy, dem Weltranglistenersten, in aller Ruhe einen Kaffee trinken?

Passiert ist das noch nicht. Rory ist ein absoluter Superstar, der auch dementsprechend etwas abgeschottet wird. Wenn er in der Hotellobby sitzt, scharen sich kurze Zeit später zwanzig Leute um ihn und wollen Fotos machen. Aber er ist ein umgänglicher, netter Typ, ich komme gut mit ihm aus. Starallüren gibt es da keine. Das ist so im Golfsport – es gibt keine Diven.


Gibt es Kollegen, denen Sie lieber aus dem Weg gehen?

Manchmal denke ich mir schon: Mit dem will ich jetzt nicht zwei, drei Stunden an einem Tisch sitzen. Aber das ist doch normal im Umgang mit Menschen. Mit manchen kommt man besser zurecht, mit manchen schlechter. Das beruht auch auf Gegenseitigkeit.


Worauf kommt es im Golf an, wie viel ist "Kopfsache"?

Es ist vielleicht weniger Kopfsache als bei anderen Sportarten. Wenn im Tennis zum Beispiel die Nummer eins der Welt gegen die Nummer 60 spielt, wird die Nummer eins 98 von 100 Duellen gewinnen. Das sehe ich beim Golf etwas anders, unsere Sportart ist komplex. Man muss sich ständig anderen Bedingungen anpassen, auf einer Runde wirst du nie zwei Mal den gleichen Schlag ausüben.


Sind Sie vor besonders wichtigen Schlägen eigentlich nervös?

Nervös, nein, eher angespannt. Manchmal geht die Pumpe schon etwas schneller, das legt sich aber oft relativ schnell. Wenn ich meinen Rhythmus gefunden habe, kann ich das Rundherum ganz gut ausblenden. Die Besten der Welt können das noch besser. Es geht nicht darum, da draußen auf dem Platz viereinhalb Stunden konzentriert zu sein. Es geht immer um die 30 Sekunden vor dem Schlag.


Warum scheint dann die Leistungsdichte auf der Tour immer höher zu werden? Beherrschen alle diese Kunst der Ruhe?

Das Niveau wird immer höher, ja. Das hat aber auch mit der Bandbreite an Spielern zu tun. Du hast auf der einen Seite einen 17-jährigen Italiener, der momentan einen Cut nach dem anderen schafft, und auf der anderen Seite Miguel Angel Jimenez, der mit 51 noch immer vorn mitspielt und Turniere gewinnen kann. Das ist schon einzigartig.


Bei der PGA-Championship 2014 haben Sie für Aufsehen gesorgt, als Sie zwischenzeitlich sogar in Führung gelegen sind. Am Ende landeten Sie auf Rang 15. Was hat Sie dieses Turnier gelehrt?

Ich wusste schon davor, dass ich gut genug sein kann, um auch bei einem Major vorn mitzuspielen. Gewinnen ist dann doch noch einmal etwas anderes. Das habe ich mir auf der Schlussrunde gedacht. Da stand neben mir Rory McIlroy, die Nummer eins der Welt, und im nächsten Flight waren noch zwei weitere Top-10-Spieler. Da fühlt man sich als Underdog. Aber das sind Erfahrungen, die man machen muss. Das hilft dir weiter.


Wer drei, vier Wochen unterwegs ist, hat gewissen Stress, hohe Belastungen. Wie entspannen Sie – nicht mit Golf, oder?

Nein, indem ich den Golfschläger für zwei Tage in die Ecke stelle, das ist notwendig. Wenn jemand 30 Tage im Büro sitzt, will er es zwei, drei Tage auch nicht mehr von innen sehen.

Welche Rolle spielt Geld für Sie?

Ich bin nicht Golfprofi geworden, um Millionär zu werden, ich habe auch noch lange nicht ausgesorgt. Geld gibt mir allerdings eine gewisse Sicherheit. Und mein Luxus ist es, mir Dinge zu leisten, wenn ich darauf Lust habe. Ich belohne mich zum Beispiel mit einer schönen Uhr. Aber zu Silvester 15 Flaschen Dom-Pérignon-Champagner leeren: Nein, das bin ich nicht.


Der österreichische Golf-Verband wird bis Mitte Februar seine Bewerbung für die Austragung des Ryder Cups 2022 abgeben. Halten Sie einen Zuschlag für realistisch?

Absolut. Wir sind zwar ein kleines Land, aber in einer sehr guten Position. Österreich verfügt über viel Know-how, ist im Ausland angesehen. Ich sehe es absolut nicht so, dass wir kein Golf-Land sind. Manchmal verkaufen wir uns aber unter Wert.

Zur Person

Bernd Wiesberger, am 8. Oktober 1985 in Wien geboren, ist Österreichs bester Golfer und aktuell auf Platz 67 der Weltrangliste zu finden. Zum Saisonstart vergangene Woche in Abu Dhabi belegte er Rang sechs, heute startet er in das Turnier in Doha, Katar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2015)

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