Balkan – Licht am Ende der Krise

(c) AP (Markus Schreiber)
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Die nächsten Jahre in Südosteuropa werden hart. Dennoch denkt kaum ein heimisches Unternehmen an einen Rückzug. Aus gutem Grund.

Es war ein rauschendes Fest, das im vorigen Sommer im bulgarischen Städtchen Lukovit gefeiert wurde. Zwei Musikkapellen rückten mit eigenen Folkloretanzgruppen an. Aus Sofia kam zur Feier des Tages ein hochrangiges Regierungsmitglied in die zwei Stunden entfernte 10.000-Seelen-Gemeinde. Die orthodoxe Kirche stellte gleich drei Geistliche zur Segnung des gesamten Unterfangens ab.
Nein, es galt keinen Staatspräsidenten zu ehren. Grund für den Aufmarsch war die Eröffnung eines Ziegelwerks. Um 25 Mio. Euro kaufte und modernisierte der österreichische Baustoffkonzern Wienerberger ein altes Ziegelwerk in Bulgarien. Jeder fünfte Ziegel, der im Land gebraucht wird, sollte aus dieser Fabrik kommen.
Und das mit nur 70 Mitarbeitern. Dennoch scheint der Aufwand von bulgarischer Seite nicht übertrieben. Kapital ist in den Transformationsländern immer noch vergleichsweise knapp. Österreich drängte nach der Wende rasch in die Region und behielt seitdem seine Spitzenposition. 40 Mrd. Euro investierten heimische Unternehmen 2008 in Zentral- und Osteuropa. In vielen Ländern war die Alpenrepublik damit der Topinvestor. Auch der indirekte Nutzen solcher Investition sollte nicht vergessen werden: In Lukovit wurde zeitgerecht ein Hotel für westliche Manager aus dem Boden gestampft. Die Infrastruktur wird aufgebaut, der Ort kann auf weitere Ansiedlungen hoffen.
Aber auch für die heimischen Betriebe war das starke Ostengagement lange Jahre ein echter Wetts-7;0bewerbsvorteil. Versicherungen und Banken wie die Grazer Wechselseitige, die Erste Bank oder Raiffeisen International spannten ein beeindruckendes Netz über die Region. Auch Baukonzerne wie die Strabag oder Getränkeproduzenten wie Rauch profitierten von den starken Wachstumsraten.

Firmen bleiben im Land

Doch mit einer gewissen Verspätung kommt die Wirtschaftskrise nun auch in Südosteuropa an. Plötzlich scheint der einstige Vorteil zum Hindernis zu werden. Die EU-Mitglieder Bulgarien und Rumänien fallen von neun Prozent Wachstumsrate auf die Nulllinie. In Kroatien, Serbien oder der Türkei wird die Wirtschaftsleistung heuer um rund zwei Prozent sinken, im Jahr darauf weitgehend stagnieren. Frühestens 2012 könnte es wieder Wachstum geben, glauben die Forscher vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). So schnell wie vorher wird es dann aber nicht mehr bergauf gehen. Die schwache Industrie am Balkan hat strukturelle Reformen nötig, die dafür unerlässlichen Direktinvestitionen dürften vorerst vermutlich ausbleiben.
Laut einer aktuellen GfK-Umfrage wollen auch die heimischen Unternehmen ihre kurzfristigen Expansionspläne in der Region auf Eis legen. An Rückzug denkt jedoch niemand. Jede zweite befragte Firma will mittelfristig in Südosteuropa weiter wachsen. Viele hoffen, dass ein möglicher EU-Beitritt einigen Ländern in der Balkanregion zusätzliche Stabilität verleiht.
Die Experten vom WIIW sehen mittelfristig durch die Krise sogar Vorteile für einige südosteuropäische Länder und interessierte Investoren. In den vergangenen Jahren sei es zu „unnatürlichen Aufwertungen“ gekommen, sagte Institutsvorstand Michael Landesmann kürzlich in Wien. In Kroatien beispielsweise war das Preisniveau zuletzt beinahe auf westeuropäischem Niveau angelangt. Die erwartete Abwertung der Landeswährungen und die Rückwanderung vieler Arbeitskräfte könnten die Lohnkosten in diesen Ländern mittelfristig wieder stark senken.
Mit günstiger Arbeitskraft konnten die Länder lange Zeit um Investoren werben. Auch an anderen altbekannten Vorteilen habe sich nichts geändert, sagt Georg Krauchenberg, Südosteuropaexperte der Wirtschaftskammer: niedrigen Steuern und nicht zuletzt einem immer noch großen Nachholbedarf.
Auch in Bulgarien wird man wieder neue Häuser bauen. Zumindest an jedem fünften Ziegel sollte dann ein österreichisches Unternehmen wie Wienerberger verdienen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2009)

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