Wollte Schubert in seiner C-Dur-Symphonie Rossini karikieren?

(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Schubert unter Harnoncourt und Schiff und ein konzertanter "Alfonso und Estrella". Ein interpretatorisches Wechselbad.

Macht sich Schubert in seiner kleinen C-Dur-Symphonie bloß lustig über den damals Wien beherrschenden Rossini-Taumel, der Beethoven angeblich mit Selbstmord kokettieren ließ? Hat bisher tatsächlich kein Interpret verstanden, wie Schubert ein Diminuendo ausgeführt haben wollte? Nicht einmal renommierte Wissenschaftler, die sich mit diesem Komponisten intensiv befassen?

Davon überzeugt zeigte sich jedenfalls Nikolaus Harnoncourt in seiner kurzen Rede anlässlich seines Auftritts mit den Wiener Philharmonikern bei der Salzburger Mozartwoche, die diesmal mit sämtlichen Schubert-Symphonien konfrontiert.

Ein Rätsel bleibt, warum er seinem engagierten Plädoyer eine so wenig spannende, sich in Einzelheiten verlierende Darstellung dieses Werks folgen ließ, bei der es mit der Korrespondenz mit dem Orchester nur unterschiedlich klappte. Selbst wenn man nach seiner Analyse erwarten musste, dass er diesen Schubert mit quasi „schaumgebremster“ Italianità bieten würde. Ungleich packender und überzeugender seine gleichfalls epischen Tempi wie feinster Detailarbeit verpflichtete, mit zahlreichen unkonventionellen Zäsuren aufwartende Interpretation der „Unvollendeten“, bei der sich die Wiener Philharmoniker von ihrer besten Seite zeigten, zudem mit exzellenten Soli aufwarteten.

Dass sich Schubert auch sehr anders lesen lässt, zeigte der sich wiederum in der Doppelfunktion Dirigent und Solist seiner Andrea Barca präsentierende András Schiff im Mozarteum. Neben Beethovens C-Dur-Klavierkonzert und Mozarts Es-Dur-Klavierkonzert KV 482, in deren Soloparts er immer wieder mit unerwarteten Pointen brillierte, hatte er Schuberts Fünfte auf dem Programm. Sie deutete er vor allem aus ihrem musikantischen Elan. Was, namentlich im straff genommenen Menuetto, markante Konturen nicht ausschloss, ohne dass der natürliche melodische Fluss damit ins Stocken geriet. Ein Konzept, das auch Schiffs Mozart- und Beethoven-Deutungen bestimmte, die er als Solist auf jenem Bechstein-Flügel absolvierte, auf dem einst Wilhelm Backhaus zahlreiche Konzerte und Platteneinspielungen bestritt, und der Schiffs sensibler Klangvorstellung besonders zugute kommt. Erst recht dem Klangideal der Wiener Klassik.

Einiges von dieser ungekünstelten Spielfreude und sprühenden Dramatik hätte man sich im Haus für Mozart bei der konzertanten Aufführung des Schubert-Dreiakters „Alsonso und Estrella“ gewünscht, jener romantisch-kruden Geschichte der zwei Königskinder aus verfeindeten Häusern. Eine strahlende Estrella (Mojca Erdmann), ein artikulationsklarer Mauregato (Michael Nagy) und eine übrige, mehr prominent klingende als rollendeckende Besetzung mit Alastair Miles (Adolfo), Toby Spence (Alfonso) und Michael Werba (Mauregato), der gut studierte Salzburger Bachchor und das bloß tüchtig aufspielende Mozarteumorchester sind zu wenig, um wenigstens den partiellen Schönheiten dieser Partitur über die Kraft der Liebe nachzuspüren. Dazu hätte es eines Dirigenten bedurft, der differenzierter gestaltet als Antonello Manacorda, dem es zuweilen auch an der nötigen Übersicht mangelte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2015)

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