Montenegro: „Zar Milo“ tritt die Flucht nach vorne an

(c) Reuters (Stevo Vasiljevic)
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Premier Djukanovic rechnet bei der Parlamentswahl am Sonntag mit einem Triumph. Er hat den Urnengang vorverlegt: um den Sieg zu sichern, bevor Montenegro die Wirtschaftskrise voll zu spüren bekommt.

BELGRAD/PODGORICA.Zweifel an seinem Wahltriumph lässt Montenegros starker Mann erst gar nicht aufkommen. Der Sieg für das von der sozialdemokratischen DPS geführte Parteienbündnis „Europäisches Montenegro“ sei „sicher“, meint Premier Milo Djukanovic vor der Parlamentswahl am Sonntag selbstbewusst. Für seine hoffnungslos zerstrittene Gegnerschaft hat er nur Häme übrig: Seine Rivalen hätten wohl eingesehen, dass die Regierung die Mehrheit der Wähler bereits hinter sich habe, kommentiert „Zar Milo“ die Zerwürfnisse bei der Opposition: „Nun kämpfen sie gegeneinander um die Stimmen der Minderheit.“

Neben dem schillernden Premier wirkt die Opposition in dem Kleinstaat tatsächlich blass. Ob als Staats- oder Regierungschef: Seit fast zwei Jahrzehnten hat der erst 46-jährige Politveteran die Zügel in dem 620.000 Einwohner zählenden Montenegro fest im Griff. Bereits in jungen Jahren durchlief „Rasiermesser“ Djukanovic im Bund der Kommunisten Jugoslawiens eine Blitzkarriere, übernahm 1991 mit 29 Jahren zum ersten Mal die Regierungsgeschäfte.

Seine Heimat führte er weitgehend unbeschadet durch die Kriegsperiode der Neunzigerjahre. Rechtzeitig ging er auf Distanz zum serbischen Autokraten Slobodan Milosevic. Den 2003 geschaffenen Staatenbund Serbien-Montenegro sah Djukanovic nur als Zwischenstopp auf dem Weg in die staatliche Unabhängigkeit, die Montenegro 2006 erklärte.

Den Adria-Staat führt der geschäftstüchtige Strippenzieher wie einen Familienbetrieb, den er bald in die EU zu lotsen hofft. Mit dem nach der Unabhängigkeit einsetzenden Investitions- und Tourismusboom konnte er seinen Kritikern, die ihm die enge Verquickung von Staats- und Privatinteressen vorwarfen, zunächst den Wind aus den Segeln nehmen. Die Ermittlungen der italienischen Justiz, die ihm organisierte Kriminalität wie Zigarettenschmuggel und Geldwäsche während der Jugoslawien-Kriege zur Last legt, ruhen, sind aber nicht eingestellt.

Wahlhilfe von Silvio Berlusconi

Von Rom droht Djukanovic derzeit jedoch keine Gefahr: Rechtzeitig in der Endphase des Wahlkampfs machte sich Premier Silvio Berlusconi nach Podgorica auf, um Djukanovic medienwirksam Italiens Unterstützung für Montenegros EU-Ambitionen zu versichern.

Eigentlich sitzt Djukanovic fest im Sattel. Doch die Folgen der internationalen Finanzkrise bekommt auch Montenegro immer schmerzhafter zu spüren. Das vor drei Jahren an den russischen Oligarchen Oleg Deripaska verkaufte Aluminiumwerk KAP, mit 10.000 Arbeitsplätzen einer der größten Arbeitgeber des Landes, steht vor dem Bankrott. Nach Jahren des Wachstums droht dem Tourismus, der ein Viertel des Sozialprodukts ausmacht, ein herber Einbruch. Wegen der Krise in Russland bleiben die Sommerreservierungen für die neu aus dem Boden gestampften Luxushotels aus. Die Immobilienblase, die die Grundstückspreise in absurde Höhen trieb, ist geplatzt.

Auch der Bankensektor rutscht in die Krise. Mit einem Kredit von 44 Millionen Euro hat Montenegros Regierung der Prva Bank aus der Patsche geholfen, an der nicht nur ein Bruder Djukanovic', sondern auch der Premier selbst beteiligt ist. Mit der um ein halbes Jahr vorverlegten Neuwahl tritt Zar Milo die Flucht nach vorn an: Bevor die Krise das Land mit voller Wucht trifft, will sich seine DSP ein neues Regierungsmandat sichern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2009)

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