Integration: SPÖ-Absage an rote Scharfmacher

MINISTERRAT: HUNDSTORFER
MINISTERRAT: HUNDSTORFER(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Sozialminister Hundstorfer bremst SPÖ-Landeschefs: Statt Sanktionen für „Integrationsunwillige“ soll Betreuung ausgebaut werden. Die ÖVP möchte Geldstrafen bis zu 1000 Euro für Eltern, die Vorladungen in die Schule ignorieren.

Wien. Er schleppte sich nach gut einmonatiger Pause wegen seines Beckenbruchs auf Krücken zur Regierungssitzung im Bundeskanzleramt. Mindestens ebenso sehr schmerzte Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) allerdings, was seine ranghohen roten Parteigenossen in den Bundesländern in der Vorwoche alles so an Vorschlägen für Sanktionen gegen Zuwanderer, die sich in Österreich nicht integrieren wollen, von sich gegeben hatten. „Man sollte wieder ein bisschen cool down machen“, empfahl Hundstorfer.

Die Botschaft war offensichtlich an die SPÖ-Landeschefs Franz Voves (Steiermark) und Hans Niessl (Burgenland) gerichtet, die für juristische Sanktionen eingetreten waren, sowie Oberösterreichs SPÖ-Chef Reinhold Entholzer, der – einige Stunden lang – über einen Sozialdienst nachgedacht hatte. Strafen seien „sekundär“, so Hundstorfer, weil beispielsweise Eltern, die Vorladungen in Schulen missachten, eine Minderheit darstellten. Der Sozialminister setzt lieber auf ein Coaching für Jugendliche, wie es sein Ressort in Zusammenarbeit mit dem Unterrichtsministerium betreibt. 30.000 Betroffene wurden in der Form betreut. Außerdem seien einige der Schüler schon 18 Jahre alt und damit großjährig, gab er zu bedenken.

Bundeskanzler Werner Faymann hatte bereits am Dienstag im Interview mit der „Presse“ den roten Scharfmachern in Sachen Integration mitgeteilt, er sei für eine Kombination aus Hilfe und Strafen. „Ich sehe aktuell aber keinen Grund für eine gesetzliche Änderung“, fügte er am Dienstag nach dem Ministerrat hinzu.

Die ÖVP hat sich auf eine Linie verständigt: Sie hält nichts von strafrechtlichen Sanktionen, wie dies die SPÖ-Landeschefs angedacht haben. Sie drängt aber verstärkt auf verschärftes Vorgehen der Schulen, wenn Schüler und deren Eltern sich nicht integrieren wollen. Das geht bis zu Verwaltungsstrafen in der Höhe bis zu 1000 Euro, wie Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) vor dem Ministerrat betonte.

Strafe als „letzte Maßnahme“

Solche Sanktionen sollten allerdings als „allerletzte Maßnahme“ verhängt werden, fügte Staatssekretär ÖVP-Parteikollege Harald Mahrer hinzu. Außerdem plädiere er dafür, sich „in aller Ruhe“ auch dem Punkt zu widmen, was „Integrationsunwilligkeit“ konkret überhaupt bedeute. Wenn ein Schüler in diesem Bereich auffalle, gebe es aber „eine Reihe von Gründen, die nicht immer bei den Schülern selbst zu suchen sind“, so Mahrer.

Regierungsklausur Ende März

Weil zwar ausgerechnet zum Start in das Superwahljahr 2015 schon jede Menge Vorschläge gemacht werden, aber offenkundig sowohl in der Kanzlerpartei als auch zwischen Rot und Schwarz in der Koalition noch einiger Klärungsbedarf besteht, geben sich SPÖ und ÖVP nun eine zweimonatige Nachdenkphase: Bis zur nächsten Regierungsklausur am 23. und 24. März in Krems sollen sich die beiden Koalitionsparteien einig sein, was sie tatsächlich mit integrationsunwilligen Zuwanderern machen wollen.

Mit Geldstrafen für Eltern, die alle Integrationsbestrebungen torpedieren, knüpft die ÖVP jedenfalls an eine schon geltende Regelung für Schulschwänzer an. Diesen droht als Sanktion eine Geldstrafe bis zu 440 Euro. Immerhin wurden derartige Strafen in der Vergangenheit bereits hunderte Male verhängt. Nach Angaben des Unterrichtsministeriums gab es im Jahr 2013 in Wien 880 solcher Fälle, in Salzburg rund 450. In Kärnten waren es 119 Strafen. 29 Betroffene konnten die Strafen nicht bezahlen und mussten daher eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen.

Die Volkspartei tritt – wie Innenministerin und Koalitionskoordinatorin Johanna Mikl-Leitner erläuterte – aber ohnehin verstärkt dafür ein, vor allem den Verantwortlichen in den Schulen ein Instrument in die Hand zu geben, um „Integrationsunwillige“ leichter zur Räson zu bringen. Daher sollten Maßnahmen von der Schulgemeinschaft aus Lehrern, Eltern und Schülern an jeder Schule mittels Schulvereinbarung festgelegt werden. Sie selbst sei bei dem Thema Integration jedenfalls gegen „linke Träumereien“ ebenso wie gegen „rechte Hetze“.

Die nun für 23./24. März angekündigte Regierungsklausur ist die zweite nach jener in Schladming Ende September des Vorjahres. Schon zuvor soll jedoch nach dem Willen der Chefs der Koalition die Steuerreform am 17. März unter Dach und Fach sein, sodass sich die Regierung bei der Klausur anderen Themen – auch bei der Bildung – widmen kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2015)

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