Aufruf zum patriotischen Konsum

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Erstmals analysieren Historiker heimische Werbefilme von 1950 bis 2000: Wie haben ihre Sprache, ihre Symbole zur Festigung der österreichischen Identität beigetragen?

Humanic ist ein markantes Beispiel im österreichischen Werbefilm. Der steirische Schuhproduzent warb anfangs sehr traditionsreich, bis in den 1960ern heimische Avantgarde-Künstler mit Werbespots beauftragt wurden. „Die eigenwillige Werbung spaltete die Österreicher, aber alle redeten darüber, und den Slogan ,Franz!‘ kennt man bis heute“, sagt Karin Moser. Gemeinsam mit Franz Eder und Mario Keller vom Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Uni Wien untersucht sie in einem FWF-Projekt die „Emotionalisierung nationaler Marken im österreichischen Werbefilm von 1950 bis 2000“. Neun heimische Marken stehen im Fokus: Ankerbrot, Austria Tabak, Manner, Iglo, Palmers, Semperit, Humanic, Funder und Bank Austria.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Aufbau einer eigenständigen österreichischen Identität forciert. Doch bisher wurde nicht erforscht, wie sehr Werbefilme in Kino und Fernsehen dabei eine Rolle spielten. In zirka 700 Filmen der fünf Jahrzehnte wollen die Forscher nun analysieren: Wie häufig setzt man auf österreichische Symbole wie die Flagge oder die rot-weiß-rote Farbkombination? Wie oft wird der Name „Österreich“ oder eine Region genannt? Welche Landschaften, Sehenswürdigkeiten und Idole aus Sport, Kultur und Medien sind zu sehen? Wie stark wird auf Volkskultur und Brauchtum gesetzt? Und wie werden über den Film Emotionen frei gesetzt?

„Auch die Sprache ist ein wichtiges Mittel, um das ,Österreichische‘ zu transportieren. Unsere Dialekte prägen den heimischen Werbefilm“, betont Moser. Früher, bevor das deutsche Fernsehen über Satellit und Kabel alltäglich war, gab es die Vorgabe, jeden Werbespot in österreichischer Sprechweise zu synchronisieren. „Selbst der deutsche Persil-Mann der 1970er hatte eine österreichische Synchronstimme“, so Moser. Diese Vorgabe änderte sich etwa Ende der 1980er-Jahre.

Spots zeigen gesellschaftlichen Wandel

In den Werbefilmen spiegelt sich stets der gesellschaftliche Wandel der Zeit wider. Zwar werden Lebensmittel traditionell mit vertrauten Landschaften und Regionen präsentiert, doch die beworbenen Produkte haben sich über die Jahrzehnte geändert. „Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte man auf sehr günstige und nahrhafte Produkte. Fettreiche Nahrung war damals positiv besetzt“, erklärt Moser.

Ab den 1980ern startete die Wellness-Welle mit Light- und Bioprodukten in den Werbefilmen. Auch der Umweltgedanke mit Abgas- und Müllvermeidung ist ab dieser Zeit in der Werbung zu erkennen, während in der Nachkriegszeit rauchende Schlote noch ein positives Zeichen für die blühende Wirtschaft waren. Apropos Rauchen: Die Austria Tabak drehte ab den 1920er-Jahren Werbefilme, mit dem Ende der Zigarettenwerbung brach dieser Bereich zusammen.

„Sport und Rauchen waren über Jahrzehnte miteinander verbunden, etwa im Namen des Fußballklubs ,Austria Memphis‘. Noch in den 1980ern finden sich Spots, in denen nach einer Aerobic-Stunde genüsslich eine Memphis Light geraucht wird“, sagt Moser. Eine gewisse Emotionalisierung wird jedenfalls auch in Palmers-Spots deutlich: Erotik löst immer Gefühle aus, die moralischen Vorstellungen haben sich aber über die Zeit verändert. So musste in den 1980ern ein Spot neu gedreht werden, weil die Unterwäsche durchsichtig war. „Da hat sich die Reizschwelle inzwischen verschoben.“

Und die Wahrnehmung der Menschen wandelte sich: Parallel zur Entwicklung der technischen Möglichkeiten des Films nehmen wir heute immer schneller geschnittene Information wahr. Darum wollen die Historiker nun die filmischen Mittel der Jahrzehnte dokumentieren, um mehr über die Emotionalisierung durch die Werbung zu erfahren.

Moser erkennt in der aktuellen Werbung wieder einen Hang zur mehr Regionalität: „Die österreichische Herkunft steht für Qualität, was vermutlich mit einer EU-Skepsis einhergeht.“ Die Idee, den Konsum heimischer Produkte zu bewerben, um die österreichische Wirtschaft zu stärken, ist allerdings nicht neu. Zum „patriotischen Kauf“ wurde schon in der Zwischenkriegszeit und speziell nach 1945 aufgerufen.

LEXIKON

Werbefilme für Konsumprodukte gibt es seit den 1910er-Jahren. Ursprünglich liefen sie nur im Kino, die Spots waren bis zu fünf Minuten lang. Erste Fernseh-Werbefilme gibt es ab den 1960er-Jahren. Die Spots wurden kürzer, zirka 20 Sekunden lang. Ab den 1970er-Jahren dominierten Farbspots.

In dem aktuellen Projekt werden Werbefilme von Ankerbrot, Austria Tabak, Bank Austria, Funder, Humanic, Iglo, Manner, Palmers und Semperit auf ihre Strategien der Emotionalisierung untersucht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2015)

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