Europäische Union: Europa-Richter zeigen Zähne

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Generalanwalt plädiert für harte Strafe gegen säumigen Staat.

WIEN/LUXEMBURG (aich). Lange Zeit hatten Staaten leichtes Spiel, wenn sie Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ignorierten. Nun wird es ernst: Jüngstes Beispiel ist ein Verfahren gegen Griechenland. Bereits 2006 hat der Gerichtshof den Staat aufgefordert, ein Gesetz über Spielautomaten zu novellieren. Die Gesetze hatten inländische Firmen bevorzugt. Athen ignorierte das Urteil. Auf Betreiben der Kommission wurde ein Strafverfahren gegen Griechenland eingeleitet. Und der EuGH-Generalanwalt fordert nun in seinem Schlussantrag eine Strafe gegen Griechenland: 32.000 Euro pro Tag ab Verkündung des neuerlichen Urteils. Zusätzlich soll es eine pauschale Strafe dafür geben, dass das Urteil aus dem Jahr 2006 nicht umgesetzt wurde.

Entscheiden müssen freilich noch die EuGH-Richter. Die Richter folgen aber meist den Erwägungen des Generalanwalts. Und im Lichte der Judikatur der letzten Jahre wird erwartet, dass die Richter keine Gnade walten lassen. Dabei war die Möglichkeit, säumige Staaten zu Strafzahlungen zu verpflichten, lange Zeit totes Recht. Erst im Jahr 2000 wurde der erste Staat zu Strafzahlungen verurteilt – übrigens ebenfalls Griechenland. Beim EU-Beitritt 1981 hatte sich das Land verpflichtet, eine Sondermülldeponie zu schließen, doch es geschah nichts. Die im Jahr 2000 verhängte Strafe wirkte Wunder. Ein halbes Jahr später war die Deponie geschlossen. Das zweite Strafverfahren in der Geschichte betraf Frankreich: Es hatte ein Urteil über Maschengrößen von Fischereinetzen 14 Jahre lang nicht umgesetzt.

Kommission fehlte lange der Mut

Aber warum hat es so lange gedauert, bis säumige Staaten zu Strafzahlungen verdonnert worden sind? Hintergrund seien politische Erwägungen gewesen, erklärt Christoph Riedmann, Referent der österreichischen Wirtschaftskammer in Brüssel. Die EU-Kommission habe sich lange nicht getraut, Strafen gegen säumige Mitgliedstaaten zu beantragen.

Es komme aber selten vor, dass ein Staat ein EuGH-Urteil völlig ignoriert, erzählt Riedmann. Häufiger ändere ein Staat nach dem Urteil das Gesetz, schreibe aber neue diskriminierende Passagen hinein. Dann kann man nicht einfach Strafzahlungen verhängen, sondern muss ein komplett neues Verfahren gegen den Staat einleiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2009)

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